Klammheimlich kamen die vier Holländer auf die Bühne nur um mit tosendem Applaus wieder von ihr zu gehen: die Indie-Rock-Band Kensington verzauberte das Publikum des Zürcher Komplex Klub. Und dies obwohl die Truppe aus Utrecht in vergleichsweise kleinem Rahmen zu spielen hatte und sich nach einer Vorband auf die Bühne trauen musste, die es faustdick in sich hatte.
Ein Gastbeitrag von David Schneider
Eine Viertelstunde vor der Türöffnung deutet vor dem Komplex 457 ausser den Absperrgittern nichts darauf hin, dass in weniger als zwei Stunden Hollands Band der Stunde hier spielen sollte. Ausser zwei Sicherheitsmännern ist niemand anwesend. Doch der Schein trügt: Kaum geöffnet tröpfeln die Konzertbesucher und Indie-Fans in den kleinen aber feinen Komplex Klub, dem ehemaligen Strip-Club Dollhouse. Wo bis vor ein paar Jahren leicht bis zu leicht bekleidete Damen ihrem Geschäft nachgingen, tanzen nach 20 Uhr die doch noch zahlreich erschienen Konzertgänger zu den mitreissenden Songs der Thuner Indie-Band Undiscovered Soul. Die sechs Jungs aus dem Kanton Bern entzücken mit ihrem warmen Gemüt und gemütlichen Dialekt, gleichzeitig aber auch mit eingängigen Gitarren-Riffs und Kopfgesang der seines Gleichen sucht.
Ein gelungener Einstieg, stellt sich doch heraus dass einige hart gesottene Fans der Schweizer den langen Weg nach Zürich scheinbar nur für ihre Band auf sich genommen haben. Es gilt also für die vier Niederländer von Kensington nicht nur ihr Publikum zu begeistern, sondern auch das des Support für sich zu gewinnen. Doch dieser Versuch scheint erst einmal ordentlich schief zu laufen. Als wären sie ihre eigenen Bandroadies schlurfen die Musiker, die in ihrer Heimat in grossen Hallen spielen, auf die Bühne und schauen verdutzt ins Publikum. Doch wer dachte, dies sei bereits der Beginn ihres Konzerts hat geirrt, die Jungs spielen ihren Soundcheck gleich selbst und verschwinden so abwesend wie sie erschienen wieder im Backstage.
Hüften zum Kreisen
Aber Kensington wären nicht Hollands momentan grösster Musik-Export, wüssten sie nicht eine richtige Show zu spielen. Denn beim zweiten Gang auf die Bühne wird klar, hier bekommt der Besucher die Riffs und Chorgesänge um die Ohren gebuttert. Von Beginn an zeigt sich die Spielfreude der Musiker, die stets mit einem Lachen die Bühne betreten. Bereits der Eröffnungssong All for Nothing dröhnt ganz schön und die Atmosphäre beginnt sich zu lockern. Der gut gefüllte Komplex Klub setzt sich in Bewegung: Hände fahren in die Höhe, Hüften werden gekreist und wer kann, singt lautstark mit.
Hymne zum Mitsingen
Nach ein paar Songs führt die Band eine Art Anwesenheitskontrolle durch und will von den Fans wissen, wer sie denn schon vor einiger Zeit im El Dorado oder diesen Sommer am Gurtenfestival erlebt hat. Keine Frage schreien die Anwesenden in den ersten Reihen begeistert Ja, wo hingegen der Rest vor sich hinschweigt. So gross wie in ihrer Heimat sind Kensington bei uns noch lange nicht. Diese Tatsache hält die Band aber nicht davon ab ihre Hits in die Nacht zu schmettern: Mit Ghosts folgt eine Indie-Hymne die mit ihren grossen Klängen zum Mitsingen einlädt und gut zeigt, welches Potenzial in der Musik der Holländer steckt. Die Band nimmt Fahrt auf, das Publikum strahlt und singt mit. Mehr und mehr fühlt man die Energie, welche die Gitarrenriffs von Songs wie Go Down oder Let Go vom 2010 erschienen Debütalbum Vultures enthalten. Frontmann Eloi Youssef versprüht nicht nur während den Stücken Charisma sondern weiss auch dazwischen die Leute zu unterhalten.
Melodien für Gänsehautgefühl
Mit War und Riddles kommen die Menschen vor der Bühnen in den Genuss von Liedern des 2014 erschienen Albums Rivals, welches Kensington europaweit auf die Festivalbühnen katapultierte und die Stärken der Band repräsentiert. Es prallen grosse Melodien auf stimmige Chorgesänge, so wird nicht nur Tanzfieber erzeugt sondern auch Gänsehautgefühl. Nach gut einer Stunde stimmt die Band den Song Home Again an und zeigt damit wie schweisstreibend und elektrisierend ihre Konzerte sein können. Und so unscheinbar wie die Vier die Bühne vor dem Konzert betreten haben, so gestärkt und erfüllt von Applaus verlassen sie wieder. Das nächste Mal hier, und das ist schon so gut wie garantiert, werden Kensington die Schweizer Konzerthallen bespielen. Aber das warm werden im ausrangierten Freudehaus hat ihnen sichtlich Spass gemacht.