«Wir tanzen zusammen im Wasserwerfer-Regen!»

Betontod liessen ein bombastisches Feuerwerk steigen. Ein Konzert mit Schweiss, Bier und heiseren Kehlen. Ein Rückblick auf eine überforderte Security, festen Stuhlgang, Widersprüche und Romantik.

Härterei. Wo normalerweise piekfeine Hip-Hop- und Electro-Partys steigen, fand sich für einmal eine ungezähmte Horde ein. Es wurde einer jener Konzertabende, an denen du mit bierbespritzten Kleidern, verschwitzt und plattgedrückten Zigarettenschachteln aus der Halle läufst.

Fuck The System

Anzug und Krawatte. So präsentierte sich die Security, sichtlich irritiert ob der wilden Punk-Meute, die vor der Halle die leeren Flaschen und Dosen über den Asphalt kickten. In den Augen der Anzugträger stand eine Gewissheit: Dass sie heute hoffnungslos in der Unterzahl sind. Sie waren der schieren Bereitschaft des Publikums schutzlos ausgeliefert. Und die Menschen fickten das System ab der ersten rohen Note von Zaunpfahl. Das Rauchverbot wurde aus den Angeln gehoben, überall glimmten die Stängel und ein zarter, süsslicher Marihuana-Duft schwappte durch die Halle.

Zaunpfahl

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«Ich hab festen Stuhl»

Zaunpfahl. Drei schon etwas gealterte Männer, die sich nicht zu schade sind, «Das Leben ist cool! Das Leben ist cool! Denn ich hab festen Stuhl!» zu grölen. Nach wenigen Augenblicken verwandelte sich die leere Fläche vor der Bühne in einen aggressiven Moshpit. Pogo-Punk, hurra! Wehende Haare und ausschlagende Gliedmassen.

Das Trio schaffte es mit seiner provokanten und überspitzten Art locker, den dichtgedrängten Besuchern ordentlich Feuer unterm Hintern noch machen. Scheisse und Autobomben. Also noch ein Bier und sofort wieder zurück ins tanzende Gemenge.

Punk und die Widersprüche

«Wir spielen keine Popsongs! – Uh-Oh-Ohhhh!», dröhnten Betontod dem Publikum entgegen. Und genauso laut rief es aus der tobenden Menge zurück. «Schon etwas paradox, dieses eingängige Keine Popsongs», sagt der Kollege rechts. «Punk ohne Widersprüche ist kein richtiger Punk», entgegnet der Typ links. Musik-Philosophie zwischen zwei genüsslichen Schlucken Bier.

Betontod

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Nein, die Musik von Betontod hat keinen lyrisch hochstehenden Anspruch. Es sind einfache Texte, die jeder versteht und jeder mitsingen kann. Simpel gestrickte Melodien, zu denen sich gut feiern lässt. Doch – verdammt – manchmal ist es genau das, was man braucht. Nicht mehr, nicht weniger.

Punk und die Gänsehaut

Trotzdem. Manchmal blitzen doch schöne Sprachbilder hervor. Etwa beim Traum von Freiheit – namensgebendes Lied des neuen Albums:

Komm’, wir tanzen zusammen im Wasserwerfer-Regen!
Dann ist das Feuer unser Bühnenlicht
Und das Tränengas der Nebel!

Was für eine Wortakrobatik! Auch das ist Betontod. Unerwartet und atemberaubend.

Und dann schleicht sogar noch die Gänsehaut über die Arme und lässt dir die Nackenhaare zu Berge stehen. Vielleicht liegt es auch an jüngsten persönlichen Erlebnissen. Aber genau so erging es mir bei Nebel:

Wir wussten nicht wohin es führt,
Wussten nicht wohin wir gehen.
Wir haben stets darauf vertraut,
Irgendwann werden wir es sehen.
Doch Heute stehen wir vor uns
Und finden keine Worte.
Gehen in die selbe Richtung,
Doch an verschiedenen Orten.

Punk, das kann auch Herzschmerz und bittersüsse Romantik sein.

Punk mit den bekannten Zutaten

Trotz Gänsehaut und Widersprüchen – das Menü mit Zaunpfahl und Betontod baute auf altbekannte Zutaten: Bier, Schweiss und Ungehorsam. Es war kein edler 5-Gänger, sondern eher eine Bratwurst. Und die bekommt zwar keine Sterne im Gault Millau, ist immer wieder ein Hochgenuss.

Lautstark, elektrisieren und mitreissend war das Konzert. Ein Gefühl, das sicherlich nachhallt, bis die blauen Flecke wieder verheilt sind. Doch die Eindrücke bleiben wohl unvergesslich. Am Ende konnte man nur – noch einmal – anstossen:

Wann immer ich dich brauchte, du warst bei mir!
Und mit diesen Worten danke ich dir!
Für dein Vertrauen, warst allzeit bereit!
Ich trinke auf dich, auf eine gute Zeit!