Der Sommer neigt sich dem Ende zu, doch das Kaufleuten gab uns noch ein wenig Sonne. Am 20. August spielten dort The Pussywarmers and Réka sowie Silver Firs. Ein Bericht.

Summer Sounds 2014 – so nennt sich die sommerliche Konzertreihe des Kaufleuten. Zu sehen und hören gibt es einige Schweizer Bands. Am 20. August, einem Mittwoch, setzte sich das Programm aus zwei Bands zusammen, zum einen aus The Pussywarmers and Réka sowie zum anderen aus den Silver Firs.
Doch beginnen wir ganz von vorne. Das Konzert fand, wie bereits erwähnt, im Kaufleuten statt, in einem Saal. Dieser hat einen Grundriss ähnlich einem Kirchenfenster. Oben bei der Rundung, schön symmetrisch, befindet sich die Bühne. Kommt man rein – das tut man an der Seite des Raumes – sieht man zuerst eine Art Lounge. Am 20. August sassen sehr viele ältere Menschen mit Cüplis in der Hand auf diesen Polstergruppen. Alles wirkte wenig spassig. Der Saal hat eine schöne halbhohe Vertäfelung und wirkt sehr geschniegelt. Vielleicht schon etwas zu sehr geschniegelt für Konzerte dieser Art? Alles ist auf jeden Fall ziemlich fesch, was sich beim Bierpreis von 7.50 für ein 3dl Ittinger aus der Flasche zeigt.
Anmoderation des Grauens
Um halb acht war Türöffnung, um halb neun begannen die Musiker von The Pussywarmers and Réka. Die Bühne war in rotes Licht getaucht, über dem Keyboard der Sängerin Réka sowie über einigen Verstärkern hingen Paillettenhüllen. Diese glänzten rot und gaben der Bühne sowie der darauf stehenden Band etwas Schummriges. Bevor die Band aber zu spielen anfing, passierte das Unglaubliche:
Es kam ein Mann auf die Bühne und machte eine Anmoderation. Was man sonst nur von Festivals wie den Winterthurer Musikfestwochen kennt, gab es also auch im Kaufleuten. Der Typ auf der Bühne wirkte unsicher und wahrscheinlich fragte er sich: «Warum ich? Warum muss ich an einem Mittwochabend an einem Konzert, an dem wahrscheinlich jeder weiss, was kommen wird, eine gottverdammte Anmoderation machen?»
Diesem Gedankengang entsprechend war die Ankündigung eher lausig. Eigentlich spielten die Pussywärmer zuerst und es gab weder Vorband, noch Hauptact. Jedoch schaffte es der wenig glücklich wirkende Ansager, gefühlte 99% der Anmoderation von den Silver Firs zu sprechen, die aber erst nach den Pussywarmers spielen würden. Die Band, die effektiv spielte, wurde mit wenigen Sätzen abgespeist und als «abgefahren» und «mir mönds zum Glück nid beschriibe wie’s tönt» bezeichnet. Und das zu unrecht.
Während die Terrakottastatuen (also die Zuschauer) noch nicht warm waren, legte die Band sofort los. Nach zwei Liedern lockerte sich der alte Ton der Zuschauer und es wurde getanzt. Der Saal war einigermassen voll und die Zuschauer blickten gespannt auf die Bühne. Die Pussywarmers and Réka spielten hervorragend. Die Band war eine Einheit, der Ton war gut und der Spass auf der Bühne war fühlbar. Der Spass breitete sich so kurzerhand auch im Publikum aus. Die Band ist irgendwie absurd, viele Lieder nehmen eine unerwartete und ungewohnte Wendung, irgendwie psychedelisch, irgendwie wie ein Zirkus. Dem Gitarristen haftete etwas vom Jonny Cash an, die Sängerin sorgte mit ihrem Hüftschwung mehr oder weniger für Action. Obwohl die Bühnenshow nicht riesig war, war eine Bühnenpräsenz zu spüren. Ein wahrhaft lustiger Augenblick war, als nur die beiden Gitarristen der Band sowie der Schlagzeuger spielten. Die Sängerin und der Bassist gingen irgendwo hinter die Bühne. Nach einigen Sekunden kehrte der Bassist zurück, spazierte über die Bühne und wechselte die leeren Bierflaschen seiner Bandfreunde mit vollen auf; und dies noch während dem Lied! Wenig später spielte er dann wieder fröhlich mit. Und am Schluss, nach zwei Zugaben und grossem Applaus des euphorisierten Publikums, erklang urplötzlich und gänzlich unerwartet Latino-Mucke. Die Band verabschiedete sich mit einem etwas wirren Tanz und mit Verbeugungen, die Latino-Mucke sorgte noch etwas mehr für Verwirrung, und ging dann von der Bühne. Das Publikum wirkte entzückt und vor allem überrascht von diesem prächtigen Auftritt.
Freie Liebe und Hippie-Zeit
Nach einer halben Stunde Pause, um viertel nach zehn, gab es dann wieder eine Anmoderation. Diese war genau so gut (!) wie die vorherige. Hier einige Stichworte: Die Silver Firs klingen wie «freie Liebe» und erinnern an die «Hippie-Zeit». Leider war ich zu dem Zeitpunkt sehr stark am Lachen, weil das Ganze so absurd war, dass ich keine eins-zu-eins Abschrift machen konnte. Der Typ auf der Bühne erzählte also nochmals über die Band, eigentlich genau dasselbe wie bereits vorhin, vielleicht hatte der Arme die Notizzettel vertauscht?
Und dann ging es los. Die Berner Band legte los. Der Saal füllte sich nochmals, die Erwartung an das Konzert war fühlbar, insbesondere nach dem super Konzert von The Pussywarmers and Réka. Und irgendwie, naja. Es war kein Konzert, um sich daran zu erinnern. Nach zwei Liedern war es klar, dass Silver Firs noch keine tolle Live-Band sind. Zum einen lag es an dem Geschwätz auf der Bühne. Dem grossen Vorbild folgend, gab das eine Mitglied der Band, vielleicht das Nervöseste, «lustige» (also nichtlustige) Dinge von sich. Einmal fragte er, was als nächstes gespielt würde, er habe keine Setliste. Neben dem, dass seine Präsenz an dem Abend wirklich nervtötend war, kommen wir zu einem grossen Kritikpunkt: Die Band wirkte ziemlich unprofessionell (siehe verlegte Setlist). Insbesondere für ein Konzert, das um die 30.- Franken kostet, und für eine Band, die einen ziemlichen medialen Rummel verursachte (so sehr, dass archiv.archiv.negativewhite.ch sogar eine Kritik veröffentlichte), geziemt es sich nicht, wie eine Schülerband aufzutreten. Es wirkte, als spielten die Mitglieder jeder nur für sich, selten war eine Gemeinschaft zu fühlen. Ihnen zugutehalten muss man, dass der Sound nicht exzellent abgemischt war, da wäre noch Potenzial vorhanden gewesen. Beim Lied Orion fiel beispielsweise alles auseinander. Es waren verschiedene Tonspuren, die zur selben Zeit abgespielt wurden, kein gemeinsames Stück. Die Band konnte nicht überzeugen und der Saal leerte sich nach und nach. Gegen Ende, als der grosse Hit Motherland gespielt wurde, zeigten die Silver Firs, was eigentlich möglich wäre. Die Band bekam die Kurve und die letzten Lieder kamen gut rüber. Vielleicht sind die Silver Firs mehr Studio- als Livemusiker. Vielleicht waren sie ganz einfach nervös aber das Konzert war auf jeden Fall kein sehr gutes. Beim Abschluss zeigte sich dann das Potenzial, welches in der Band steckt und man muss hoffen, dass sie es zukünftig voll ausschöpfen können. Denn die Musik ist super. Und live, gut gespielt; das wäre ein Traum.
Nach dem Ende des zweiten und letzten Konzertes leerte sich der Saal und zurück blieb ein gemischter Eindruck. The Pussywarmers and Réka holten viel aus ihrer Musik und ihrer einfachen aber guten Show heraus. Silver Firs hingegen wirkten uninspiriert und langweilig. Warum das so war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall muss die Band zulegen, was Konzerte betrifft. Hoffen wir, dass es klappt, denn es wäre schade um ihr Talent.