Das Aargauer Quartett Standed Heroes lässt mit «Karman Line» sein zweites Album auf die Leute los. Worauf sollte man sich gefasst machen und hat sich die Wartezeit seit «Metamorphin» gelohnt?

Das zweite Album ist für viele Bands die Schwelle, welche für die Zukunft des Ensembles am bedeutendsten ist. Oft lösen sie sich danach auf – oder auch kurz davor, wie es Red Charly leider gemacht hatten (Negative White berichtete) – oder sie starten voll durch.
Gerade in diesem Hinblick könnte die erste Single-Auskopplung Trial and Error ein Omen sein. Der Song wurde geschickt ausgewählt, thematisiert er doch den Wunsch, über seinen Schatten zu springen und einfach das zu tun, das man gerade für richtig oder spannend hält, sich aber aus Angst vor dem Scheitern nicht getraut. Die eigene kleine Welt verlassen, sich auf das Leben einlassen und auch Niederlagen nicht verdrängen, sondern sie als Erinnerung mitnehmen und es beim nächsten Mal besser machen.
Und so haben auch Stranded Heroes etwas Neues probiert. Karman Line ist definitiv anders als Metamorphin – kräftiger, direkter, ohne die Identität zu verlieren. Auch wenn Open Eye wie Clone Industry auf dem Debütalbum als Einleitung fungiert und den Zuhörer auf die Reise vorbereitet, hört man schon hier die neue Ausrichtung deutlich. Härtere Gitarrenriffs, nach vorne preschender Rhythmus wie eine Trägerrakete, die ihre Nutzlast in den Orbit bringen will.
Neben der härteren musikalischen Gangart haben sich auch die Lyrics gewandelt. Glücklicherweise sind die tiefgründigen, ja teilweise philosophischen Texte nach wie vor ein essentieller Bestandteil der Musik von Stranded Heroes, aber nun wurden ihnen auch vermehrt eingängige Refrains beschert, welche sich gerade an Konzerten hervorragend zum Mitsingen anbieten. Fire Fire Fire und No No No könnten zu richtigen Live-Klassikern avancieren – ein simpler Refrain mit einer treibenden Melodie, Band und Publikum im Einklang…
Neben diesen Songs finden sich aber auch Tracks wie From the Void oder Get well soon – Balladen, die mit ruhigen, akustischen Melodien starten, um dann in einem musikalischen Sturm aufzugehen. Neben Ctrl, dem abwechslungsreichsten, überraschendsten Stück des Albums, ganz klar meine Lieblingssongs von Karman Line.
Eine der Spezialitäten des Album ist, dass es mit mehrmaligem Hören immer mehr gefällt… Fühlen sich einige Songs beim ersten Mal noch sperrig an, empfindet man sie nach wiederholtem Hören mehr und mehr als vertrauten Freund. Ein Zeichen, dass Stranded Heroes es geschafft haben, den Hörer zu berühren und die besondere Art der Kommunikation, die nur zwischen Kunst und Betrachter/Hörer existiert, zu erreichen.
Mit Karman Line haben sich Stranded Heroes definitiv in neue Spähren katapultiert. Eine ganz klare Kaufempfehlung für jeden Rockfreund. Anjas grandiose Stimme hat ihre ebenbürtige musikalische Untermalung gefunden und alle Augen sind darauf gerichtet, was das Quartett als Antwort auf dieses Album liefern wird.
Die Band veröffentlichte auch ein kleines Making Of:
Release:
2. Mai 2014
Label:
Irascible
Tracklist:
01 – Open Eye
02 – Superb Cast
03 – Unlike You
04 – Machines
05 – Pure Monopoly
06 – From the Void
07 – Ctrl
08 – Fire Fire Fire
09 – I Am
10 – Trial and Error
11 – Get well soon
12 – No No No
13 – The grass is always greener on the other side