Die kalte Jahreszeit ist vorbei, der Frühling hat schon angeklopft. Doch richtig heiss wird’s erst im Mai, wenn der Festival-Sommer beginnt. Zeit, sich eine Übersicht über die Open Airs zu verschaffen, welche auch dieses Jahr wieder in ganz Europa stattfinden und mit hochwertigen Line-Ups um Besucher buhlen.
Der Auftakt zur Festival-Saison 2012 findet in Leipzip statt: Bereits zum 21. Mal treffen sich dort rund 20’000 Menschen aus den verschiedensten Strömungen der vielfältigen Schwarzen Szene. Wie jedes Jahr in der nun schon zwei Dekaden umfassenden Geschichte des Wave Gotik Treffens – dem WGT, wie es überall genannt wird – findet der mehrtätige Anlass am Pfingstwochenende statt. Vom 25. bis 28. Mai wird eine düstere Invasion die zweitgrösste Stadt in Sachsen in Beschlag nehmen und sich am breit gefächerten Angebot des Treffens erfreuen.
Wie bei den meisten Festivals ist auch am WGT die Musik ein sehr zentrales Element, aber eben auch nur ein Element eines kulturellen Grossanlasses, der ebenso Lesungen anbietet wie auch Plattformen für Treffen von Gleichgesinnten. Welches andere Festival bietet die Möglichkeit, neben einem Abstecher ins Mittelalter und Konzerten von Horror-Punk bis Industrial auch einen Besuch in der Oper erleben zu können?
Wer zum ersten Mal ans WGT fährt, wird mit grösster Sicherheit von riesigen Auswahl an Beschäftigungen und Sehenswürdigkeiten etwas überfordert sein. Es ist schlicht unmöglich, alles zu sehen, zu hören, zu erleben. Die Konzerte und Lesungen finden gleichzeitig an verschiedenen Lokalitäten, die zum Teil ziemlich weit auseinander liegen, statt. Man hat die Qual der Wahl – aber auch die Möglichkeit, völlig Neues zu entdecken. Es bietet sich an, die Anlässe, die man sonst eher nicht erleben kann, zu besuchen und lieber auf ein Konzert einer bekannteren Band, welche aber auch sonst mal auf Tour in der Nähe sind, zu verzichten. Wer offen für ihm Unbekanntes ist, der wird am WGT bestens bedient.
Sehen und gesehen werden, das ist für sehr viele WGT Besucher ein Hauptgrund, nach Leipzig zu reisen. Und tatsächlich gibt es ein regelrechtes Schaulaufen beim Agra-Gelände, wo sich auch immer dutzende Schaulustige aufhalten und mit allem, das in irgend einer Art und Weise ein Foto machen kann, auf die schrillen Gruftis in den verschiedensten Kostümen halten. Wem dieser Trubel zu viel ist, der geht besser schnellen Schrittes am Catwalk vorbei. An anderen Stellen in der Stadt wird man zwar auch häufig von Passanten angesprochen, ob sie ein Foto machen dürfen, aber die meisten Fragen nett und irgendwie kann man sie ja auch verstehen: So viele seltsame und oftmals schillernde Gestalten auf einem Haufen sehen die meisten nicht so schnell wieder. Gerade der Umstand, dass der Grossanlass nicht einfach in einem abgesperrten Gelände stattfindet sondern sich über die halbe Stadt erstreckt, macht einen weiteren Reiz das Treffens aus. Der Name ist deshalb auch äusserst passend: Es ist ein Treffen der verschiedensten Gruppierungen. Da treffen Batcaver auf Steampunks, Mittelalterfans auf Cybergruftis, Junge auf Junggebliebene und «Normalos» auf den kunterbunten Haufen der Schwarzen Szene.
Ein Rundgang durch das heidnische Dorf lohnt sich eben so wie ein Besuch am viktorianischen Picknick. Während ersteres das ganze WGT über geöffnet hat und neben den diversen Ständen eines Mittelaltermarktes auch Konzerte von Mittelalterbands bietet, findet das viktorianische Picknick nur an einem Tag statt. Dort treffen sich Personen – manchmal ganze Familien – in prachtvollen Kostümen zu einem gediegenen Picknick im Park. Wahrlich ein visueller Hochgenuss, der gerade auch bei Steampunks sehr beliebt ist. Abgerundet wird das Festival durch zahlreiche Parties, welche nicht direkt zum WGT selber gehören, aber an denen man als WGT-Besucher freien Eintritt geniesst.