Sleep liess mit Donner und Gepolter das Bad Bonn am Mittwochabend bis auf seine Grundmauern erzittern. Wie es sich anfühlt, von dieser Stoner-Dampfwalze plattgemacht zu werden.
Redet man über Stoner Rock, dann ist das Trio Sleep nicht wegzudenken. Die 1990 gegründete Band hat sich über die Jahre hinweg zur Kultfigur der forschen Wüsten-Szene gemausert und hat mit dem einstündigen Track Dopesmoker einen Meilenstein des Genres gesetzt. Teuflischster Desert Rock gepaart mit schleppender Ewigkeit. Sleep, das sind die drei Kalifornier Matt Pike von High On Fire, Al Cisneros von OM und Jason Roeder von Neurosis. Was für Namen.
Eine staubige Durststrecke
Ein tolles Jahr für die Stoner-Fans. Erst kündigen Sleep eine Tour in Europa und in der USA an und dann das: Am 20. April (dem Festtag der grünen Fee) erscheint ohne jegliche Vorwarnung das vierte Studioalbum von Sleep bei Third Man Records. Der blitzartige Ansturm auf die Label-Homepage lässt diese gar kurzzeitig zusammenbrechen. Das lange Warten, die 15 Jahre andauernde Durststrecke nach staubigem Wüstensound, findet sein blitzartiges Ende. The Sciences. So laut, so gut.
Where the hell is Bad Bonn?
Auf ihrer Europatournee spielen Sleep in ausverkauften Hallen. In der Schweiz gibt es nur einen Halt und dies in der Bar deines Vertrauens: Das Bad Bonn. Lauschig, intim und verdammt laut. Der seit geraumer Zeit ausverkaufte Event lockt Hörlustige aus der ganzen Schweiz an, schwarz gekleidete Massen pilgern in die Pampa und stranden auf der Terrasse.
Die Bühne wird inspiziert: Fünf Boxen und vier Overheads von «Orange» stehen auf der einen Seite, zwei immense Bassboxen von «Ampeg» auf der anderen. Die Amps nehmen die halbe Bühne in Beschlag. In der Mitte, das Schlagzeug-Schlachtschiff von Drummer Jason Roeder. Allesamt bereit, das Publikum unter lärmigen Beschuss zu nehmen.
In der Hand ein Bier, das Licht gedimmt und Black Sabbath erklingt aus den Lautsprechern. So lässt es sich gerne warten. Als Intro für den Auftritt auf die Bühne lässt das Trio aufgenommene Funksprüche durch die Anlagen dröhnen. Über zehn Minuten lang wird man noch auf die Folter gespannt, dann endlich betreten Roeder, Pike und Cisneros die Bühne.

Desert gods

Roeder zählt ein. Marijuanaut’s Theme. Die enorme Lautstärke fühlt sich an wie ein Faustschlag in die Fresse. Die Nackenhaare stellen sich auf, die Nasenhöhlen vibrieren und die Jenas zittern. Der Bass gräbt sich tief in die Magengrube und die verzerrte Gitarre beisst sich in die Trommelfelle. Der erste repetitive und gewaltvolle Rifftanz beginnt. Roeder peitscht auf seinem Schlagzeug und dirigiert gleichermassen die Mähnen in den ersten Reihen. Es ist so dermassen laut, dass die Oropax keine Wirkung zu zeigen scheinen. Dumpfer und dreckig verzerrter Sound frisst sich in die Gehörgänge.
Im scheuen roten Licht rezitiert Al Cisneros seine beinahe mönchsartigen Gesänge, die Lippen dicht ans Mikrofon gepresst. Im Bad Bonn wird es heiss, die Wüste ist da. Im grünen Licht lässt Matt Pike seine Gitarre in ekstatische Höhen schreien, während der andauernd scheppernde Roeder seine Rhythmen in Dauerschleife niederprasseln lässt. Der Kopf kann nicht anders widerstehen, als dem teuflischen Wüstenblues mit Headbangen zu zollen. Eine lautstarke Meditation mit Stoner-spirituellem Hintergrund. Im Vordergrund das Trio, welche rabiat seine Instrumente taktiert. Tiefer, verzerrter, langsamer.
The stoner drone wall
Sleep sind Meister darin, Riffs bis aufs Letzte auszumerzen. Man wird von einer Bass-lastigen Soundwand regelrecht erschlagen. Immer und immer wieder. Schwer und schleppend wird wiederholt, ein Riff jagt das andere, allerdings im Schneckentempo. Ihre Songs sind lang und zäh. Sie wirken wie schierlos unendliche Jams über die gleichen Gitarren- und Bassläufe. Das zweitletzte Stück dauert über 20 Minuten, erst danach entgleitet der Band auch mal ein Wort ans Publikum. «Hey, how are you doing?» Was für eine Frage. Darauf folgt Dragonaut, eine Stoner-Hymne schlechthin. Bluesig und catchy, ein letztes Mal schüttelt man seine Mähne und ein letztes Mal verliert man sich im Doom-Wirrwarr.
Nach 80 Minuten Stoner-Nirwana ist Schluss. Angefühlt hat es sich wie die Ewigkeit. Für mich das bisher lauteste Konzert. Selbst lauter als Swans und A Place To Bury Strangers. Das Ohrensurren am Morgen danach erinnert bittersüss an das Konzert. Genau wie die leichten Nackenschmerzen.
Merci Sleep und Bad Bonn für diesen unvergesslichen Abend.