Punk – und dann war das Eis weg

Am Freitagabend war bereits am Winterthurer Hauptbahnhof unverkennbar, wer den Abend rocken würde. Die Fans strömten mit ihren Billy Talent T-Shirts von überall her Richtung Eishalle. Die Hockeyaner und Eiskunstläuferinnen, welche am nächsten Tag dort drin trainieren wollten, mussten sich wohl wortwörtlich auf dünnes Eis begeben. Es ging höllisch ab.

Billy Talent (Lorena Viciconte)

nm. Schon die Opener machten zu Beginn des Wochenendes mächtig Stimmung. Die kanadische Band Arkells stand zwar einem typisch schweizerisch verhaltenen Publikum gegenüber, doch die Stimmung schwoll bis zum Schluss ihrer Show sichtlich an. Das war nicht unverdient. Die Indie Rock-Band spielte nicht nur gerade aus, sondern liess den Melodien freien Lauf. Die gesamte Truppe trug mächtig zum energiegeladenen Auftritt bei. Speziell fiel wohl allen Rock’n’Roll-Fans ihr Händchen für ein überzeugendes Klavierspiel auf.

Als zweite Vorband oder schon beinahe Co-Headliner standen Anti-Flag auf dem Programm. Die wilden Punker aus Pittsburgh (USA) begannen 1993 gemeinsam Musik zu machen, promoten seit März ihr achtes Album The General Stricke und sind daher keine unbekannte Nummer mehr. Wer bei diesen Punkern auf bunte Haare oder ähnliches hoffte, war hier an der falschen Adresse. Dafür lieferten die Jungs gewohnt gesellschaftskritische und politische Texte, eine schweisstreibende Show und das weltweit allergrösste Mosh-Pit. Naja, sie haben es zumindest versucht. Der Einsatz in der Eishalle war gross,  doch für den Weltrekord reichte es dann doch nicht ganz.

Demnach war die Betriebstemperaturen der Fans schon auf einem guten Stand, als der Hauptact Billy Talent auf die Bühne raste. Nach drei Jahren kreativer Pause meldete sich die kanadische Band mit ihrem vierten Album Dead Silence nun zurück. Die Erwartungen waren hoch; ob sie auch erfüllt wurden, ist wohl Geschmackssache. Nachdem sie am diesjährigen Greenfield eine hinreissende Performance hinlegen konnten, ist ihr Fanstamm in der Schweiz bestimmt gewachsen und mit ihm die Spannung auf die neue Mucke.
Egal, aus welcher Schublade die Band die Songs zog, sowohl die alten Hits als auch die neuen Songs, das Publikum feierte begeistert mit. Kein Schrei wirkte gekünstelt, kein Gitarrenriff kraftlos, keine Drumbeat verfehlt sein Ziel und das Produkt: eine Stimmung über dem Siedepunkt, gekoppelt mit viel Schweiss und einem guten Umsatz an den Bier-Theken.
Doch ein wenig Innovation bei der Show wäre, nach meinem Geschmack,  langsam überfällig. Trotz neuer Songs, war sie zu ähnlich zu den Vorgängigen. Doch zu gross ist diese Klage natürlich nicht. Bei  Billy Talent weiss man immerhin, was man hat. Die Kanadier bleiben sich definitiv treu und geben viel spür- und sichtbare Energie in ihre Aufritte. Und das hat sich bislang noch immer aufs Publikum übertragen. Das Publikum liess mächtig Dampf ab und so würde es mich nicht wundern, wenn die Eishallenbetreiber an diesem Wochenende eine Art Masoala-Hallen-Ausstellung bieten würden.

Bilder: Lorena Viciconte

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