Die Hamburger Rockband Mono Inc hat sich in den letzten Jahren immer wieder ein Festival ausgesucht, an welchem sie ihr aktuelles Album vorstellten. Dieses Jahr fiel die Wahl aufs Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Wir haben uns «Terlingua» vorab schon mal angehört.
Mit ihrem siebten Album Nimmermehr spaltete das hanseatische Quartett die Fangemeinde. Für viele klangen die deutschen Songs zu sehr nach Schlager und die englischen Lieder vermochten dies trotz ihres altbekannten Klangs nicht mehr rauszureissen. Ob und was für Lehren die Band aus den Reaktionen gezogen hat, kann man nun auf ihrem neuen Album Terlingua hören.
Wieder sind die Hälfte der Lieder in deutscher Sprache. Doch nun klingen sie eigenständiger, erwachsener, nicht mehr nach Unheilig, was den deutschsprachigen Songs vom letzten Album oft vorgeworfen wurde. Mir persönlich gefallen die englischen Stücke besser – nicht nur, weil die englische Sprache einfach viel emotionaler zu klingen vermag wie die deutsche, die sich eigentlich eher für technische Betriebsanleitungen eignet, sondern vielmehr deshalb, weil Martin Englers Gesang auf Englisch so viel schöner klingt. Doch auch die deutschen Lieder gefallen diesmal eigentlich durchs Band, ausser Heiland, welches sich nach mehrmaligem tapferen Anhören seinen festen Platz auf meiner Instaskip-Liste ergattert hat, wo es nun zusammen mit Heile Heile Segen vom letzten Album sein unerhörtes Dasein fristen darf.
Terlingua ist ein klitzekleines Nest im Südwesten von Texas, nahe der Grenze zu Mexiko und dorthin hat sich Mono Inc. nach der «Nimmermehr»-Tour zurückgezogen um Abstand und sich neu zu finden. Die Weite der Landschaft hat sie so berührt, dass sie später nochmals zurückgekommen sind und schlussendlich ihr ganzes Album um diesen Ort herum aufgebaut haben. It Never Rains, 118, Ghost Town Gates, Emory Peak, Study Butte und natürlich der Titeltrack Terlingua haben alle einen direkten Bezug auf den Ort und dessen Umgebung.
Aber genug der Geographielektion, was taugt die Musik? Mit vierzehn Tracks und einer Spielzeit von 59 Minuten liefern Mono Inc. ein grosszügiges Paket ab. Bei den englischen Songs bleibt musikalisch alles beim Alten, und das ist gut so. Die grösste Entwicklung hat sich bei den deutschen Liedern, die für Martin und seine Truppe immer noch Neuland sind, getan. Mondschein eröffnet das Album mit einer Ballade, wie man sie sich von Mono Inc. wünscht. Wuchtige Beats von Katha Mia und kräftige Saitengriffe von Carl und Manuel unterstützen Martins Stimme, die auf dieser akustischen Welle reitet. Schöne Lyrics und eine tanzbare Melodie – ein absolut Party-kompatibler Song, der wohl nur noch von Still übertroffen wird, zumindest bei den deutschsprachigen Liedern. Still ist so ein Mono Inc.-Song, wie man sie seit Jahren kennt, nur mit dem Unterschied, dass er eben auf Deutsch gesungen ist. Es geht also doch. Ein treibender Rhythmus, ein wunderschöner Text, der wie ein Gletscherbach über die Stromschnellen fliesst, was will man mehr?
Tag X verfügt zwar auch über eine eingängige Melodie, der Gesang ist zwischendurch aber etwas abgehackt, was die Schwierigkeit aufzeigt, gute deutsche Texte zu schreiben, die man dann auch noch gut singen kann. Thematisch in die gleiche Richtung zielt auch Die Noten Deines Lebens ab. Musikalisch ist der Track aber deutlich härter und man kann das Grinsen im Gesicht von Katha Mia regelrecht sehen, wenn sie die Felle ihres Schlagzeugs malträtiert. Aber auch die Riffs von Carl Fornia zaubern ein Lächeln ins Gesicht des Zuhörers, während der Text von Pathos nur so trieft.
Aber Pathos muss nicht schlecht sein und wenn er in Zeilen wie diese verpackt ist:
ein kleines Meer aus Salz
bis der Schmerz vergeht.
Und mit leisen Flügeln flieg ich
hinauf zum Himmelreich
meinen letzten Weg.
Ja, an klaren Tagen träum ich
noch einmal von daheim
und der alten Zeit.
Und an andren Tagen sitz ich
allein in einem Stuhl.
Soll das Leben sein?
Der Titeltrack Terlingua prescht nach vorne und weckt das Reisefieber mit verschiedenen kleinen aber unvollständigen Bildern von Terlingua und seiner Umgebung und der Frage, ob man nicht selber mal aus dem hektischen Alltag austreten und sich selber finden möchte. Und irgendwie macht der Song und das ganze Album tatsächlich Lust, sich diese Ecke der Welt mal anzusehen und sich darin zu verlieren.
Die englischsprachigen Songs zeigen klar, dass Mono Inc. in dieser Sprache stärker zu Hause sind. So fliessen die Texte wunderbar über die Melodien, egal ob schnell oder langsam. Selbst der «Schwächste» davon – Never Ending Love Song – klingt noch immer vertrauter und stimmiger als die deutschen Lieder.
Die meisten Tracks mit einem direkten Bezug zu Terlingua sind dann auch englisch. Martin fällt scheinbar das Schreiben wie auch das Singen in dieser Sprache leichter. Ob 118 – benannt nach dem Highway, der das kleine Nest mit dem Rest der Welt verbindet, die wunderschöne Pianoballade Ghost Town Gate oder das atmosphärisch dichte Study Butte, in ihnen allen spiegelt sich die Ruhe und der innere Frieden wieder, den das Quartett dort gefunden hat.
Einen Song muss man aber besonders hervor heben, denn er könnte nicht aktueller sein: It Never Rains. Martin besingt darin die gescheiterten Träume der Immigranten aus Mexiko, die sich in Amerika ein neues Leben aufbauten wollten. Angesichts der Flüchtlingsströme, die momentan über das Mittelmeer nach Europa kommen, ist It Never Rains an trauriger Realitätsnähe nicht zu überbieten.
The dead man had a face I won’t forget
The dead man kept the story of his life
The dead man was seeking for a second chance beyond this border line
Musikalisch eher einfach gestrickt, erhalten die Lyrics dadurch umso mehr Gewicht. Einer der stärksten Mono Inc.-Songs bis heute.
Nach Nimmermehr haben sich Mono Inc. wieder stärker auf ihre Wurzeln besonnen und konnten dafür ihr Songwriting – sowohl deutsch wie auch englisch – stark verbessern. Herausgekommen ist ein ausgewogenes Album, das sich hören lassen kann. Wenn auch durchwegs tanzbar, sollte man sich bei Terlingua wirklich die Zeit nehmen, sich mit den Texten auseinanderzusetzen.
Release
22. Mai 2015
Label
NoCut / SPV / Musikvertrieb
Tracklist
01 – Mondschein
02 – Never-Ending Love Song
03 – Heiland
04 – It Never Rains
05 – Tag X
06 – 118
07 – Still
08 – Die Noten Deines Lebens
09 – Ghost Town Gates
10 – An Klaren Tagen
11 – Emory Peak
12 – Love Lies
13 – Terlingua
14 – Study Butte