Über jedes einzelne Mitglied der Veils könnte ein eigener Bericht geschrieben werden, so lebhaft und einzigartig empfand man sie am 15. April in der Roten Fabrik.
Das Ziegel Oh Lac ist um 21 Uhr nicht einmal halbvoll, sodass die pflichtbewusste, pünktliche Reporterin sich erst einmal über soviel Frechheit und Respektlosigkeit der Kunst gegenüber und vor allem über die spiessigen Besucher, die ja so viel uncooler sind als die echten Rote-Fabrik-Fans, aufregt; bis sich The Veils schliesslich kurz vor 22:00 einen Weg durch das vollgestopfte Lokal auf die Bühne bahnen und gleich loslegen: Finn Andrews, der fast zu adrett gekleidet ist, als dass man ihn als Rocker wahrnehmen könnte, gibt von Anfang bis Ende 110 Prozent. Zwar sind seine Augen dabei fast immer geschlossen; er zittert aber so herzzerreissend mit den Lippen und macht aus jedem Blackbird (Birds, 2013) und jedem Darling (Out From The Valley And Into The Stars, 2013) einen wehklagenden Ruf, der alles einfach noch besser macht, als es sowieso ist. Und einen Gitarristen seines Kalibers sucht man lange: von Augenblicken minutiöser Präzision bis hin zu den Momenten, in denen er vor lauter Herumspringen eigentlich gar nicht mehr in der Lage sein sollte, die Saiten zu treffen, beherrscht Andrews sein Instrument durch und durch.
Veil aus Haaren
Allerdings kann man das auch von den anderen Mitgliedern der Band sagen: Vor allem Sophia Burns fällt auf, die den Bass ganz selbstverständlich spielt und dabei saumässig cool aussieht. Dabei kann man ausser dem langen weissen Shirt und dem roten Haar, das ihr ständig ins Gesicht fällt und ihr Aussehen nie wirklich enthüllt, nicht sehen, wer da eigentlich steht. Ob sie wohl die Namensgeberin der Band war? Die ganze Band kommt äusserlich eher unauffällig daher. Andrews’ Hut ist noch das Einzige, was ihn etwas hervorhebt. Ansonsten sind die Musiker wohl Gleiche unter Gleichen: dem Sänger macht es nichts aus, dem Drummer etwas auszuhelfen, wenn dem seine zwei Hände nicht mehr reichen, und die ganze Band lacht herzhaft (noch lauter als das Publikum), als Andrews zum dritten Mal den ersten Akkord eines Songs nicht findet.
Abwechslungsreich und gut durchdacht
Sowohl die Songs vom neuen Album Time Stays, We Go wie auch ältere und vor allem neue, noch nicht veröffentlichte Stücke vermochten das Publikum immer wieder zum Jubeln zu bringen. The Letter (2009) genauso wie Lavinia (2003) haben mit den anderen Songs der Veils gemeinsam, dass sie musikalisch sehr ausgereift sind und es schaffen, ihre Geschichte zu erzählen; einerseits ein Indiz dafür, dass Musik einfach besser ist, wenn sie aus der Feder des Sängers – oder eines anderen Bandmitglieds – stammt, andererseits die Visitenkarte einer schlicht und einfach guten Band, die wir nicht zum letzten Mal gehört haben.