Luzides Träumen mit Lola Marsh

Eine unmögliche Entscheidung: War es ein wunderschöner Traum oder eine furiose Ekstase? So verzauberten Lola Marsh das Salzhaus in Winterthur.

Es ist nicht das erste Mal, dass Lola Marsh in der Schweiz spielen. Doch nun haben Yael Shoshana Cohen und Gil Landau aus Israel ein erstes Album im Gepäck. Remember Roses ist ein faszinierend starker Erstling, den sie in drei Shows dem hiesigen Publikum vorstellen – am vergangenen Freitag auch im Salzhaus Winterthur.

Rund 400 Besucherinnen und Besucher finden den Weg ans Konzert. Das ist eine beeindruckende Zahl, zumal Lola Marsh eben erst dieses eine Album anzubieten haben. Es ist eine bunte Truppe, die sich da im säulenlosen Salzhaus versammelt: Junge, Ältere, Fans und Neugierige.

Sie müssen sich alle gedulden, denn die Bühne gehört zuerst den Baslern von Don’t Kill The Beast. Die Band spielt einen weichen bis verspielten Rock. Und sie spielen gut, aber ist das die richtige Supportband? Ihre Musik passt nicht in den Kontext mit Lola Marsh. Deswegen wirken die Songs nicht so stark, wie sie es eigentlich könnten. Das ist aber nicht die Schuld von Don’t Kill The Beast.

Vertraute Klänge

Die Bühne erblüht. Dekoriert mit Kunstrosen stehen da die Mikrofonständer, das Schlagzeug. Remember Roses – man braucht sich nicht an sie zu erinnern, sie springen einem ins Gesicht. Ob das nun kitschig ist, bleibt Geschmacksache. In einer Sache können doch alle im Salzhaus einigen: die überwältigende Präsenz von Yael Shoshana Cohen.

Lola Marsh beginnen zu spielen und es klingt eigentlich perfekt. Cohens Stimme dringt in jeden Winkel. Unterstützt von einer dreiköpfigen Band, bauen Lola Marsh einen mitreissenden Druck auf. Ist Remember Roses eine Platte, die zum Träumen und Schwelgen einlädt, werden die Songs hier lauter, energischer.

Natürlich sind es You’re Mine und Wishing Girl, ihre erfolgreichen Singles, die das Duo relativ früh am Abend spielt. Sie sind die vertrauten Klänge. Es sind auch die Stücke, die den richtigen Pop-Groove für eine gute Stimmung mitbringen. Und das Winterthurer Publikum sollte diesen Abend mehrfach beweisen, wie begeistert es war. Bei You’re Mine klatscht die Menge und schunkelt mit der Band im Takt.

Gefangen in der Klangwelt

Während Lola Marsh Wishing Girl spielen, werden Erinnerungen an anderen Folk-Pop wach: Of Monsters and Men oder 77 Bombay Street. Vielleicht liegt es am Song selbst. Allerdings kann man Lola Marsh nicht einfach den «Billiger-Mainstream-Stempel» aufdrücken. Remember Roses ist dafür ein viel zu facettenreiches Album und Cohens Stimme zu exzeptionell.

Nachdem sie ihre bekannten Hits gespielt haben, ist plötzlich Raum für die mutigeren Kompositionen: das sich in die Tiefe schraubende Sirens. Oder She’s A Rainbow, ein Stück, das mit seinen Streicher-Parts Erinnerungen an den Symphonic Rock von The Moody Blues erinnert.

Lola Marsh verfallen in Leidenschaft. Bild: Nicola Tröhler

Lola Marsh sind jetzt bei ihrer grössten Stärke angelangt: Die Melodien, die einen entführen. Das Konzert ist ein luzider Traum, der einen in die Klangwelt bringt und nicht mehr gehen lässt. Auch Cohen wirkt wie eine Gefangene dieser anderen Dimension. Mit geschlossenen Augen und theatralischen Gesten verfällt sie in Leidenschaft, während sich die Band in den finalen Rausch von She’s A Rainbow spielen.

Schnauze halten und hinsetzen 

So grossartig das Konzert bis zu diesem Zeitpunkt auch war, es war nichts gegen die Zugaben. Nur zu zweit kehren Cohen und Landau auf die Bühne zurück und spielen ihre Interpretation von Mani Matters Hemmige. Es ist ein magischer Moment. Selbst hier, nur mit Stimme und Ukulele, sind sie eine Wucht.

Dann bittet Cohen das Publikum, ganz still zu sein: «I need you to shut up now.» Etwas, das jenes leider über das ganze Konzert hinweg nicht wirklich geschafft hat. «Psst, be polite», mahnt sie nochmals und fordert alle auf, sich hinzusetzen. Winterthur leistet Folge und Lola Marsh spielen In Good Times, ihr reinstes Folkstück. Es ist ein liebliches Gute-Nacht-Lied:

Keep this little tune with you,
In good times and in bad. 

Dieser Augenblick ist perfekt. Einer jener Momente, an die man sich immer erinnern wird. Und es wäre der ideale Abschluss gewesen. Lola Marsh hätten hier und jetzt die Bühne verlassen können und niemand wäre ihnen böse gewesen.

Nein, Lola Marsh sind noch nicht satt. Wieder vereint mit ihrer Band stimmen sie The Wind an. Dieser Song ist so stark wie das namensgebende Stück Remember Roses. Doch live vermag Remember Roses dieser herzzerreissenden Ballade nicht das Wasser reichen. Die Steigerung in diese Sehnsucht ist eine wunderschöne Qual.

Und Lola Marsh lassen sich auch die vierte Zugabe nicht nehmen. Hometown schleppt sich bluesig dem Ende des Konzerts entgegen. Doch wer das Album und den Song kennt, weiss, was gleich passieren wird: Hometown explodiert. Die Band drückt aufs Gas. Ein wirbelndes Finale – furios und unschlagbar gut.

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