Maximum Output: Vale Tudo aus Zürich trotzten dem Regen (Foto: Sacha Saxer)
Maximum Output: Vale Tudo aus Zürich trotzten dem Regen (Foto: Sacha Saxer)

Headliner der Herzen

Die 10. Ausgabe des Greenfield Festivals ging am Sonntag zu Ende. Bilanz nach zehn Jahren und nach den letzten drei Tagen: Interlaken und das Wetter werden nie Freunde, vor den Organisatoren gibt es einige Hüte zu ziehen, aber auch zwei, drei Hühnchen zu rupfen und nicht nur die Headliner Iron MaidenLinkin Park und Soundgarden sorgten für eine gebührende Geburtstagsparty. 

Maximum Output: Vale Tudo aus Zürich trotzten dem Regen (Foto: Sacha Saxer)
Maximum Output: Vale Tudo aus Zürich trotzten dem Regen (Foto: Sacha Saxer)

Greenfield Festival 2014: Der Samstag

Schon kommen wir zum Samstag, dem letzten Greenfieldtag. Aber normalerweise ginge das Wochenende ja hier erst richtig los, somit gibt es keinen Grund zum Jammern.
Eröffnet wurde für uns von Negative White der Samstag von Vale Tudo, der Zürcher Adresse, wenn es um Hardcore geht. Die beiden Schreihälse Dani und TC legten eine ungeheure Energie an den Tag und die zahlreichen, genauso energiegeladenen, Fans trampelten zu ihrem Gebölze schon mal den Schlamm platt. Das Maskottchen Vinny, die Bulldogge mit dem Lätsch, konnte den frühen Konzertgängern mit Sicherheit ein Lachen auf die Lippen zaubern und den Verschlafenen ein: «Oh, die haben einen Teddy auf der Bühne», entlocken.
Auf der Hauptbühne ging es dann bei trübgrauem Samstagswetter weiter mit solidem Stonerrock und der unverkennbar eindringlichen Stimme von Clutch-Sänger Neil Fallon. Eine Greenfield-Premiere, die sich zu feiern lohnte. Nach der Premiere tauchten einmal mehr ein paar bekannte Gesichter auf der Main Stage auf: die brasilianischen Meister des Death/Thrash Metals, Sepultura. Ein zehnjähriges Greenfield braucht auch irgendwie eine dreissigjährige Band wie Sepultura, die noch genau so bölzt, kracht und in den A* tritt, wie zu ihren Anfangszeiten. Nebst den obligaten Roots bloody roots, Ratamahata oder Arise waren aber auch neuere Songs wie Grief in der Setlist vorhanden.
Unterdessen gab es ein paar ungewohnt sanfte Töne von der Club Stage und von Dave Hause – nach der angenehmen Aggressivität von Sepultura war dies irgendwie ein No Go und so gab’s halt Madsen auf der Hauptbühne. Die Band, der Auftritt, die Texte und der Name – alles lässt sich leider am treffendsten mit belanglos beschreiben. Des Sängers Frage: «Riecht schon alles nach Käsefuss und Bier?», war zwar ein netter Lacher zwischendurch, aber die pubertären Texte darüber, dass man seinen Abend nicht allein verbringen möchte, erhielten die Langeweile zu lange aufrecht. Und so war es höchste Zeit, einem von der Club Stage wieder etwas Post-Hardcore vom Wind entgegen wehen zu lassen. Silverstein drehten dort ordentlich auf und es stellte sich unwillkürlich die Frage, warum diese Band in Europa noch nicht so bekannt ist wie in den USA .

Die musikalische Entdeckungsreise nahm ihren Lauf mit dem Gang zurück zur Hauptbühne, dort nahm nämlich gerade der Ersatz von In Extremo, die kurzfristig ihren Auftritt abgesagt hatten, die Bühne auseinander. Saltatio Mortis brachten die Bretter zum Beben, das auf einmal in Scharen herbeigeströmte Publikum zum Mitsingen (zeitweise so laut, dass man Sänger Alea überhaupt nicht mehr hörte) und die Ohren mit schrillen Dudelsackklängen zum Klingeln. Saltatio Mortis machen dem Genre Mittelalterrock alle Ehre und sie schafften mit viel Ausdauer und Fleiss den unglaublichen Sprung von Mittelaltermärkten in die Charts und nun sogar auf’s Greenfield.
Der Tag der Stilbrüche nahm weiterhin seinen Lauf: Weiter ging es mit den Landsmännern von Saltatio Mortis und vor allem deren Frontfrau Jennifer Rostock. Knapp bekleidet, dafür mit haufenweise Tattoos geschmückt, stürmte Frontsau Jennifer die Club Stage und liess für die nächsten 60 Minuten keinen mehr davonkommen. Dies galt im wahrsten Sinne des Wortes für zwei Fans, die sich beim Song Feuer für einen freiwilligen Gesangseinsatz bzw. ein freiwilliges Gesangsduell auf die Bühne holen liessen. Ein schüchterner, pubertierender Fan durfte seine Traumfrau dabei von ganz Nahem anhimmeln, machte seine Sache aber mehr als nur gut. Seine Konkurrentin schien jedoch nicht wirklich zugehört zu haben, worin die Aufgabe bestand, und wirkte ziemlich hilflos auf der Bühne als sie bemerkte, dass sie den Song singen sollte… Anscheinend jemand, der das erste Mal bei einem Konzert von Jennifer Rostock war. Sie bekam trotzdem einen Trostpreis; einen Schnaps gab’s für alle und für Jennifer sogar ein Fanbriefchen… von wem, dürfte klar sein. Die Herzen und Lachmuskeln waren endgültig aufgewärmt, da kam Jennifer aber schon mit der nächsten Schnapsidee um die Ecke; einer Wasserpistole mit Vodka gefüllt. Neben Powersongs wie Kapitän, Es war nicht alles schlecht oder Tauben aus Porzellan gab es zwischendurch auch ruhige und nachdenkliche Songs. Während für unseren Fotografen Sacha die Hardcore-Combo von Vale Tudo sein «Headliner der Herzen» war, wie er twitterte, so waren für mich, Schreiberling, Jennifer Rostock sogar meine Headliner des Festivals. Es braucht keine gigantische Lichtshow. Eine Vodka-Pistole tut es auch…

Die richtigen Headliner standen aber noch auf dem Programm: Soundgarden! Es war nicht ganz einfach, sich von der Entertainmentshow der Berliner loszureissen, um sich zu den Mannen um Chris Cornell von Soundgarden zu begeben. Ihre Hits wie Black Hole Sun oder Spoonman fehlten natürlich nicht, wurden auch schon ziemlich bald abgefeuert, nur die Gitarren quietschten und dröhnten etwas zu aufdringlich. Trotzdem feierten auch Soundgarden ihr 20-jähriges Bestehen an diesem Greenfield-Geburtstag gebührend.

So ging also am Samstagabend ein aufregendes, musikstilmässig bunt gemischtes, wettermässig durchzogenes 10. Greenfield Festival zu Ende. Von Jubiläumsfestakten war eigentlich nichts zu spüren und einige Neuzugänge im Line-Up (statt denselben Acts wie vor zehn Jahren) könnten vielleicht bei der elften Ausgabe nicht schaden. Und wenn es nächstes Jahr endlich genügend WCs auf dem Campinggelände hat, können Panteon Rococo ruhig zum gefühlt hundertsten Mal spielen…

 

Fotos: Sacha Saxer