Bild: Janosch Tröhler

Friedliches #wirsindmehr-Konzert in Zürich

Am Montag setzten mehrere hundert Menschen auf dem Bürkliplatz ein Zeichen gegen Rechtsextremismus. Wir waren am #wirsindmehr-Konzert in Zürich dabei.

18:30 Uhr, Bürkliplatz, Zürich. Die letzten Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Während in Chemnitz gleichzeitig rund 65’000 Menschen dem Aufruf von #wirsindmehr folgten, finden sich mehrere hundert Menschen am Zürichsee ein um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen.

Einige Nachwuchs-Punks sitzen da, trinken Bier und hören Swiss & Die Andern oder Sondaschule. JUSO-Aktivisten, Stimmenfänger, FC-Winterthur-Bierkürvler, Alternative, Gruftis, aber auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Sie alle sind dem Aufruf der Zürcher Jungsozialen gefolgt. Es ist der einzige Schönheitsfehler der Veranstaltung: Denn der Widerstand gegen Rechtsextremismus sollte kein linkes, sondern ein demokratisch-humanistisches Anliegen sein. So war klar – und man kann es den Verantwortlichen auch nicht übel nehmen –, dass die Zürcher Episode von #wirsindmehr einen leichten parteipolitischen Nebengeschmack erhielt.

Zwei blutjunge Jungsoziale eröffnen den Abend mit ihren Reden. Sie sind nervös, verhaspeln sich – und auch manche Bilder, die sie mit ihren Worten zeichnen, vermögen nicht wirklich standzuhalten.

Nachdem Koni (Baby Jail, Sterne Foifi, Allschwil Posse) solo ein paar Lieder auf seiner Gitarre gezupft hatte, kam ein national bekanntes Gesicht auf die Bühne: Tamara Funiciello, Präsidentin der Schweizer Jungsozialen. Sie hatte für die wohl hässlichste Sommerloch-Debatte gesorgt, unfreiwillig, muss man sagen. Ein kurzer Teil einer Rede gegen Gewalt an Frauen wurde wochenlang durch die Medien geschleift. Die Frage, ob der Schweizer Sommerhit 079 von Lo & Leduc sexistisch sei, nahm das Land ein. Eine unsägliche, am Problem vorbeizielend Diskussion.

«Hört zu, ihr Scheissfaschisten: Geht euch vergraben!»

Funiciello trieb den politischen Rahmen den Abends auf die Spitze. Die Anwesenden, keineswegs nur Vollblut-Linke, sprach sie konsequent mit «Genossinnen und Genossen» an. Ihre Rede hatte aber Feuer und Kraft. «Wie kann es sein, dass die Seerettung illegal und gleichzeitig der Export von Kriegsmaterial legal ist?», ruft sie über den vollen Platz. Grosser Applaus. Sie prangert mit ihren Worten an und mahnt zur Wachsamkeit.

Noch schärfer wird Funiciello gegen Ende ihrer Rede: «Hört zu, ihr Scheissfaschisten: Geht euch vergraben!» Sie schliesst mit dem erwarteten Schlachtruf der Antifa: «Alerta! Alerta! Antifascista!» – Die überzeugten Linken auf dem Platz stimmen mit ein.

Damit war der parteipolitische Teil des Abends durchgestanden. Glücklicherweise war er nicht so intensiv, dass er den Zweck der Veranstaltung pervertierte. Schön wäre es dennoch gewesen, wenn Politikerinnen und Politiker aus dem ganzen Meinungsspektrum die Chance wahrgenommen hätten, ein Statement abzugeben.

#wirsindmehr in Zürich
Bild: Janosch Tröhler

Stattdessen übernahmen wieder Musiker die Bühne: Erst kreischt, kracht und lärmt es aus der Klangschmiede von Sooma. Die kleine Soundanlage kommt schnell an ihre Grenzen. Doch an diesem Abend geht es nicht um Perfektion, sondern darum, dabei zu sein. Mezu bringen danach mit ihren Gypsy-Melodien den Platz zum Tanzen. Der Höhepunkt bleibt die Darbietung von Bella Ciao.

Die Winterthurer Truppe Hathors drehten dann wieder lauter. «Wir sind hier um ein Zeichen zu setzen gegen die Scheisse, die in Chemnitz passiert ist», ruft Sänger Marc Bouffé. Danach fräsen sie mit ihrem dreckigen Noise Rock durch die eindunkelnde Stadt. OMGH brachten zum Abschluss noch scheppernden Punk-Rock auf den Pavillion am Bürkliplatz.

Dabeisein ist alles

Es war ein friedliches Fest. Die Leute tranken Bier, diskutierten und feierten am Montagabend in die Nacht. Süsslicher Duft schwebte über die Köpfe hinweg – von Aggression keine Spur. Der Kastenwagen der Stadtpolizei, der schon Stunden etwas weiter weg geparkt war, blieb tatenlos. Die Polizisten darin starrten auf ihre Smartphones. Es spielte keine Rolle, dass das Line-Up nicht mit dem von Chemnitz mithalten konnte. Auch nicht, dass die Anlage viel zu schwach war. Das Wichtige war, dass man dabei war und wusste: Man steht für eine Sache. Ein gutes Gefühl.