«Die meisten Menschen scheinen tot zu sein»

«For you the wild.» Bild: Nicola Tröhler

Wer ist Camilla Sparksss? Sie ist eine Fusion. Die Verschmelzung des sanften Mädchens Camilla mit energetischen, aggressiven Funken. Sparksss.

Wir sitzen im Café des Cabaret Voltaire. Touristen laufen durch die Zürcher Altstadt, während Barbara Lehnhoff an ihrem Bier nippt. Es ist heiss in dem Haus, das den Uterus für den Dadaismus bedeutete. Lehnhoff kommt ursprünglich aus den wilden Weiten Kanadas und wuchs in der Nähe eines Indianer-Reservats auf. Man sieht sie unbeschwert über Wiesen gehen, doch hier in der Stadt wirkt sie schüchtern. Blondes Haar umspielt ihr blasses Gesicht, die dunklen Augen zwischen Entschiedenheit und Verletzlichkeit. Nie käme man darauf, dass diese Frau solche Musik macht, wie man sie von Camilla Sparksss zu hören bekommt. Wer ist Camilla Sparksss? Barbara Lehnhoff.

«Wenn ich keine Lust mehr auf elektronische Musik habe, werde ich sie auch nicht mehr spielen.»

Camilla Sparksss geniesst den Moment, labt sich an der kreativen Vogelfreiheit. Barbara Lehnhoff tut das, was sie glücklich macht: «Wenn ich Pommes Frites verkaufen will, werde ich das tun. Das wird dann mein neues Ziel sein.» Sollte ihr Camilla Sparksss zuwider werden, wird sie das Mädchen mit der gleichen Willenskraft zu Grabe tragen, wie sie es geboren hat. Dieses Damoklesschwert verleiht dem Sparksss-Debüt For You The Wild unbändige Lebensfreude und bedrückende Gewissheit, dass die Party irgendwann vorbei sein wird.

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So gesehen, ist Lehnhoff eine Lebenskünstlerin, auch wenn sie sagt, dass sie selbst den Begriff «artist», also Künstler, hasst. Trotzdem würde man ihr Unrecht tun, wenn man sie bloss als Musikerin bezeichnete. Sie fotografiert, filmt und liebt die Performance auf der Bühne. Zu den Shows von Camilla Sparksss gehören immer auch Tänzerinnen.

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Barbara Lehnhoff aka Camilla Sparksss im Cabaret Voltaire
Zwischen Entschiedenheit und Verletzlichkeit. Bild: Nicola Tröhler

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Dass ihr die Musik nicht genügt, beweist ein Klick auf YouTube. «Ich habe zu viele Musikvideos», gibt Lehnhoff offen zu. Doch ihrem visuellen Drang vermag sie nicht zu widerstehen. Nachdem sie in die Schweiz gezogen war, studierte sie Wirtschaft und Grafikdesign. Danach war sie als filmmaker tätig. Untrennbar scheint das bewegte Bild mit dem bewegten Leben verbunden zu sein. Erstmals selbst zu den Instrumenten gegriffen hat die 31-Jährige, als sie einen Stummfilm vertonte.

«Hinter jedem Song steckt eine starke visuelle Botschaft.»

Die Songs vermischen das bildliche Wesen mit den Klängen von Lehnhoffs Jugend: Wave, Pop, Punk. For You The Wild heisst das Debüt von Camilla Sparksss. Lehnhoff kehrt zurück in die kanadischen Badlands. Einerseits klingt da eine organische, natürliche Wildheit, andererseits bringen die Pop-Sounds eine ausgelassene Stimmung. Dunkel, gespenstisch, bedrohlich, dann wieder fröhlich, hell und unbeschwert. Das Album ist ein Wechselbad. I’ll teach you to hunt ist so dunkel und treibend, dass der Song ohne Mühe an einer Gothic-Party aufgelegt werden könnte. Das Erbe der düsteren 80er-Jahre.

Negative White Member Kultur

Die Schweiz spielt in den Songs keine Rolle. Im Vergleich zu ihrer Heimat ist das kleine Land im Herzen Europas wie New York. Die Eidgenossenschaft als Metropole. Lehnhoff lebt im Tessin und die Schweiz ist für sie die ideale Basis, um schnell durch den alten Kontinent touren zu können. Sie spielt in Italien, Frankreich, Deutschland.

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Allzu viele Gedanken darüber, wie ihre Songs interpretiert werden könnten, macht sich Barbara Lehnhoff nicht. Europe ist geprägt von geschrienen Strophen, wütend und rebellisch. „Der Song soll eine Reaktion hervorrufen. Wenn ich mich umschaue, sehen die meisten Leute aus, als wären sie tot.“, sinniert die Sängerin über das Lied. Am Leben sein, heisst sich lebendig fühlen. Jeder Mensch sollte mindestens eine Sache in seiner täglichen Routine haben, dass ihn lebendig macht. Und wann fühlt sich Lehnhoff lebendig?

«Wenn ich auf der Bühne bin, fühle ich mich lebendig.»

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Wie die Musik von Camilla Sparksss manchmal trotzig. Bild: Nicola Tröhler