Rob Halford am Rock the Ring 2015 (Foto: Michelle Brügger)
Rob Halford am Rock the Ring 2015 (Foto: Michelle Brügger)

Cash the Ring, die Zweite

Drei Tage laute, wenn auch teilweise schiefe, Klänge ertönten aus dem Autobahnkreisel bei Hinwil. Mehrere grossartige Bands sorgen für grossartige Stimmung, aber mehrere Umschönheiten hinterliessen einen schalen Nachgeschmack.

Das diesjährige Rock the Ring im Autobahnkreisel Hinwil lockte mit namhaften Grössen wie Nightwish, Billy Idol, Alice Cooper und Judas Priest. Es hätte so schön werden können. Aber bereits bevor man das Gelände überhaupt betrat, kam der erste Dämpfer. Trotz der ohnehin wuchtigen Eintrittspreisen musste man nochmals fünf Franken für den Shuttle-Bus bezahlen. Der Gestank von Kommerz war spätestens ab dem Bahnhof Bubikon nicht mehr aus der Nase zu kriegen.

Geldmachereien

Auf dem Gelände selber stachen sofort weitere pure Geldmachereien ins Auge. Die VIP-Lounge, die den Namen absolut nicht verdient, da sich jeder mit genügend Kohle problemlos einkaufen konnte, die Hot Places, sozusagen die «VIP-Light»-Lounge und den Golden Circle. Bei ersteren Kategorien kann man ja noch sagen, dass es jedem selber überlassen ist, sinnlos viel Geld aus dem Fenster zu werfen, nur um einen Sitzplatz mit Sicht auf die Bühne zu haben. Das Gelände bietet sich dafür an, wer gerne viel zahlt um weit weg zu sitzen, bitte. Aber der Golden Circle ist ein Unding, dass es mit aller Vehemenz zu bekämpfen gilt. Früher ging man rechtzeitig an ein Konzert, kämpfte sich bis ganz nach vorne durch und harrte tapfer all jener Bands, die vor der eigenen Lieblingsband auftraten, um dann bei seinen Helden in der ersten Reihe zu stehen. Heute muss man dafür einfach noch mehr zahlen als ohnehin schon. Hier werden die wahren Fans richtiggehend abgezockt, ohne ihnen etwas mehr zu bieten, als sie an allen anderen Festivals auch haben könnten.

The Three Sum

Um meine Galle erstmal etwas zu beruhigen, mach ich mal mit dem vermeintlich Wichtigsten des «Festivals» weiter: der Musik. Hellyeah mussten ihren Auftritt absagen, aber ein Ersatz war mit dem Bandcontestgewinner The Three Sum schnell gefunden. Schnuckelig sind die Jungs ja, man kann sich richtig vorstellen, wie Tante Frieda ihnen vor dem Auftritt allen in die Bäckchen kneift und ihnen viel Glück wünscht. Die Band spielt passablen Pop-Punk und lieferte zu Beginn eine solide Show ab, fing aber zur Mitte des Gigs an zu schwächeln und verlor sich auf seichten Schülerbandniveau. Eigentlich könnten die Burschen mehr, aber möglicherweise haben ihnen Nervosität und Unerfahrenheit einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Ganz klar einen Strich durch die Rechnung hat ihnen der Soundtechniker gemacht. Der Knabe hat eine extreme Bass-Affinität und versteht leider rein gar nichts von Dynamik, was sich später noch viel mehr zeigen würde.

Kein Gesang

Einer der Höhepunkte des Tages waren die Lokalmatadoren von Eluveitie, die ihre aktuelle Welttournee für den heutigen Auftritt kurz unterbrachen und entsprechend frustriert waren, als sie hörten, dass sie nur ein knapp 45-minütiges Set spielen dürfen. Musikalisch neben Nightwish ganz klar die stärkste Band des Tages. Da fragt man sich, wieso Limp Bizkit 75 Minuten spielen dürfen, wenn man dem erfolgreichsten Schweizer Musikexport nur gerade 45 Minuten zugesteht. Man merkte vor allem Chrigl Glanzmann die Enttäuschung bei seinen Ansprachen an, aber die Band lieferte wie gewohnt solide ab. Leider hat der Soundtechniker immer noch nicht begriffen, dass weniger oftmals mehr ist, vor allem, wenn es um den völlig übersteuerten Bass geht. Dafür geizte er den ganzen Abend über generell bei den Vocals. Aber egal, wer will schon den Gesang hören… Am Ende blieb der fahle Nachgeschmack, dass hier gerade eine grossartige Band nach allen Regeln der Kunst verheizt wurde.

Rap the Ring

Bei Papa Roach und Limp Bizkit ging die Menge zwar steil, aber gerade hier zeigte sich ein weiteres Problem des Geländes. Sagt einem eine Band partout nicht zu, kann man sich dieser nirgends wirklich entziehen. Das grosse Festzelt hilft zwar ein bisschen, aber auch nur beschränkt. Diese NuMetal-Formationen passten sowas von überhaupt gar nicht zwischen Eluveitie und Nightwish. Besonders bei Limp Bizkit fühlte man sich zwischendurch wie am Frauenfelder Openair. Wir sind hier doch nicht bei Rap the Ring.

Höhepunkt mit Nightwish

Der Höhepunkt des Abends ist ganz klar Nightwish, die eine fulminante Show hinlegten. Eigentlich hätte Floor Jansen zeigen können, wie gut sie zu Nightwish passt, aber die Soundtechniker mit seinen kaputten Ohren versaute wieder mal alles. Die Inkompetenz, die diese Person hingelegt hat, sucht ihresgleichen. Wenn man den Dynamikumfang einer Band wie Nightwish auf die Soundkapazitäten eines Gameboys reduziert und es verpasst, den Vocals entsprechend Druck zu verleihen, dann sollte man freiwillig nach Hause gehen. Ein besoffener Schimpanse hätte den Sound besser hingekriegt, was echt schade ist, da die Band eine grandiose Performance hingelegt hat.

So wie links hätte der Sound von Nightwish klingen sollen, so wie rechts kaum er nach der Arbeit des «Soundtechnikers» aus den Boxen.
So wie links hätte der Sound von Nightwish klingen sollen, so wie rechts kaum er nach der Arbeit des «Soundtechnikers» aus den Boxen

Der zweite Tag startete mit mehr vom gleichen… übermässigen Bass und zu wenig Stimme. Bei Florian Ast, der gerade seinen 40. Geburtstag feiern durfte, spielte dies allerdings eine untergeordnete Rolle. Kaum jemand wollte ihn hören und nach spätestens fünf Minuten hatte man auch auch genug vom Fremdschämen – Flöru wurde scheinbar mit einem Sektfrühstück geweckt und hat seit dem keinen Tropfen ausgelassen. Aber selbst wenn er nicht umgetorkelt wär, als wollte er Jack Sparrow Konkurrenz machen, hätte er ins Lineup gepasst wie die Faust aufs Auge. Für die Besucher waren dies 45 Minuten akustische Vergewaltigung, derer sie sich nicht entziehen konnten. Geburtstag hin oder her, bei Helene Fischer wäre er besser aufgehoben gewesen.

Dafür folgte gleich das erste Highlight des Rock the Ring: Roger Hodgson, der mit seiner Band seine alten Supertramp-Hits zum besten gab. Endlich, nach acht Konzerten, entstieg den Boxen endlich ein guter Klang. Zusammen mit der auf den Gesichtern der Musikern sichtbaren Spielfreude war dies das Highlight des Tages. Leider waren die ersten Songs der Hooters und Toto wieder völlig vom Bass erdrückt. Glücklicherweise war hier jeweils jemand mit einer Brechstange oder einem anderen passenden Schlaginstrument zugegen und hat dem Techno-DJ hinter dem Mischpult erklärt, wie guter Sound zu klingen hat.

Billy Idol hätte den kröhnenden Abschluss bilden sollen, aber irgendwie war er nicht so bei der Sache und performte nicht so, wie man es sich von ihm gewohnt war.

Akustisches Trauerspiel

Der Sonntag startete mit Crown of Glory. Geradliniger Power Metal, der an sich ganz okay war, aber nach dem Auftritt leider auch schon wieder vergessen ging. Die Jungs hätten mehr drauf, aber sie brauchen noch etwas mehr Mut. Würd ich aber nicht abschreiben…
Five Finger Death Punch kamen mit vielen Vorschusslorbeeren, wurden ihnen aber nicht ansatzweise gerecht. Eine massive Double-Bass-Walze kann nunmal nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sänger im Slalom um die richtigen Töne herum sang. Akustisch ein Trauerspiel einer Band, die weit mehr liefern könnte.

Charme einer Sargbeisetzung

The BossHoss waren eine weitere dieser WTF-Bands. Wieso wurden sie für dieses Lineup aufgeboten? Ihr Country-Rock passte nicht wirklich ins Konzept des Abends – so es denn eines gegeben hat – und einzig die Crowdsurf-Episode von Alec Völkel blieb in Erinnerung. Die Leute im Golden Circle waren mit Crowdsurfen offensichtlich völlig überfordert und am hinteren Ende zeigte sich dann die nächste Idiote dieser Geldmacherei: Alec wollte bis zum Mischpult getragen werden, aber da ca 5m zwischen Hinterkante Golden Circle und den normalen Fans nichts als Luft war, musste er von ein paar besonnenen Besuchern die Distanz zum normalen Publikum getragen werden – was in etwa den Charme ein Sargbeisetzung hatte – und schaffte es dann doch irgendwie wieder auf die Bühne.

Das Feuerwerk zum Schluss

All dies ging vergessen, als Alice Cooper eben jene Bühne enterte. Was für eine Show! Manche Band liefert auf einer Tourshow keine zehn Prozent dessen ab, was Alice Cooper und seine Band hin Hinwil aufs Parkett legte. Spielereien mit einer Schlange, Enthauptungen und übergrosse Zombies, der Altmeister des Schockrock liess nichts aus, um seine Show zu einem Ereignis zu machen. Aber ganz ehrlich, er hätte dies gar nicht gebraucht. Seine neue Gitarristin Nita Strauss lieferte eine Performance ab, die den Eintrittspreis alleine wert gewesen wäre. Die nicht zu unrecht als eine der zehn besten Gitarristinnen bezeichnete Künstlerin spielte Alice Cooper an die Wand und setzte die Messlatte für den Auftritt von Judas Priest in beinahe unerreichbare Höhen.

Und dann kamen sie, die Mitbegründer des New Wave of British Heavy Metal: Judas Priest. Nach dem Konzert in Freiburg 2012 (Negative White berichtete) waren meine Erwartungen entsprechend hoch. Was wurde ich überrascht. Trotz seinen mittlerweile 63 Jahren beherrscht Rob Halford die Screams noch wie kein Zweiter, was er am Ende von Victim of Changes eindrücklich darzustellen vermochte. Der Schrei ging durch Mark und Bein.
Neben all den bekannten Hits spielten die Briten auch diverse Klassiker, die jedem Metalfan, der in den 80ern unterwegs war, die Tränen in die Augen trieben. Vor 3 Jahren habe ich ihr Konzert mit «60 Jahre und kein bisschen Leise» betitelt. Judas Priest hat in den Jahren nichts von ihrer Spielfreude verloren und ich freue mich auf den Tourabschluss am Wacken.

Kein richtiges Festival

Aber die beste musikalische Leistung kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Rock the Ring nach wie vor kein richtiges Festival ist. Ein Drei-Tages-Pass macht noch kein Festival aus. Wo bleibt die Übernachtungsmöglichkeit? Letztes Jahr ging ich zu Fuss nach Hause (Ich wohne praktisch im Nachbarsort) und sah zig Hektaren Wiesenfläche als Parkplätze gemietet, aber völlig unbenutzt brach liegen. Dieses Jahr gab es ein fast inoffizielles Camper-Parking. Aber die Idiotie, die ihresgleichen sucht, stand schon vor den Kassenhäuschen fett angeschrieben: One-Way-System. Das heisst soviel wie: Man kommt mit einem Ticket nur einmal rein, zwischendurch mal das Gelände verlassen ist nicht.

Arroganz und Geldmacherei pur! Wäre ja tragisch, wenn sich ein paar Leute ausserhalb zu vernünftigen Preisen verpflegen würden. Aber das passt zu der Unsitte mit dem Golden Circle, den «VIP»-Plätzen und dem Hot Places. Welches Festival hatte es je nötig, vier Publikumskategorien einzuführen? All dies stinkt einfach nur nach Geldmacherei. Wahrscheinlich gab es auch nur deswegen keine Waschgelegenheiten bei den WC-Anlagen, weil die Organisatoren noch keine Möglichkeit gefunden haben, dies auch zu Geld zu machen. Immerhin haben sie das mit der ToiToi-Island vorne bei der Bühne schon geschafft. Zwei Franken für die Benutzung eines ToiTois.

Es bleibt zu Hoffen, dass beim nächsten Rock the Ring, das vom 17. bis 19. Juni 2016 über die Bühne gehen wird, endlich Vernunft einkehrt und das Ganze sich zu einer Alternative zum Greenfield entwickeln wird. Ich persönlich bleibe skeptisch.