Burning Witches feiern ihren Erstling im Dynamo. Vor der Hexen-Plattentaufe heizen Damir’s Rising Force, Lotrify und Radwaste den Fans ein – ein richtig geiler Abend, wie Fans und Musiker einstimmig fanden.
Es ist brütend heiss an diesem Samstag. Vor dem Dynamo sitzen zwei Metalheads in Badeanzügen auf der steinernen Brüstung, von der aus man direkt von der Strasse in die Limmat springen kann.
Auch im zweiten Stock des Dynamos, wo die Plattentaufe stattfindet, ist es schwül. Die Gäste kommen trotzdem. Eine schlechte Nachricht spricht sich schon vor der ersten Band um: Cutest Beast haben den Auftritt abgesagt. Wie Damir, der Gitarrist der ersten Band später auf der Bühne erklären wird, ist ein Bandmitglied im Spital.
Damir’s Rising Force
Damir’s Rising Force eröffnen den Abend. Ein kurzes Synthie-Intro lockt die Besucher nach vorne zur Absperrung vor der Bühne, dann legt die Band auch schon los. Die Band spielt schnellen Heavy Metal mit cleanem Gesang. Schon beim ersten Song springt der Funke, und Sänger Andy animiert das Publikum, dass auch sofort mitklatscht. Das Konzert macht Spass, auch wenn die Musik nicht optimal abgemischt ist. Gitarrist und Namensgeber Damir, mit weisser Gitarre und farblich übereinstimmenden Sneakers, fühlt sich an der Bühnenfront sichtlich wohl und macht dem Klischee des Gittarengottes alle Ehre: Mit fliegendem Haar, verzückten Predatorgrimassen und epischen Soli rockt er die Halle.
Damir’s Rising Forces Konzert ist kurz und knackig. Eine halbe Stunde nach dem ersten Ton spielen sie auch schon den letzten Song an. Wie auch der Anfang setzten die fünf hier auf Melodie und Atmosphäre: Der Song beginnt melodiös, mit Keyboard und hymnenhafter Gitarrenspur. Dann bricht die Band mit dem für sie typischen Tempo los, das Keyboard geht unter.
Den Zuhörern gefällt’s trotzdem. «Das war richtig klasse», sagt ein Gast, der sich selbst Guz nennt. Er hat eigentlich recht wenig mit Metal am Hut, ist aber dennoch begeistert:
«Die können alle was – das sind richtig gute Musiker.»
In der Pause pilgern die Gäste zur Bar, wo sie nicht ganz so feucht-fröhlich wie sonst empfangen werden. Dafür umso schaumiger: Der Zapfhahn hat den beiden Bardamen den Krieg erklärt, auf einen Becher Bier gibt’s zwei voller Schaum. Die Fans nehmen’s mit Gelassenheit und Humor.
Lotrify
Die zweite Band beginnt mit Geprügel. Lotrify sind härter als ihre Vorgänger. Die Schläge sind wuchtiger, der Sound wütender, die Stimme des Sängers tiefer und rauer. Zwar hat der Gesang cleane Parts, aber das begleitende Getrümmer macht ihn hart, auch wenn der Sänger nicht growlt. In einer synchronen Bewegung bangen die Musiker auf der Bühne, mit harten Schlägen aus dem Nacken, die die Haare kaum fliegen lassen, nur die Spitzen vor dem Gesicht schütteln.
Das Konzert hat eine gemütliche, fast schon intime Atmosphäre. Sänger Sacha springt von der Bühne, in den schmalen Bereich zwischen Bühnenrand und dem Absperrgitter davor. Hier brüllt er den Fans die Lyrics entgegen. Das Publikum zahlt mit fliegenden Haaren Anerkennung. Als der Sänger wieder auf die Bühne klettert, bildet sich vor ihm ien kleiner Moshpit. Allgemein löst der harte Sound verschiedene bewegungsmuster aus,und zwar völlig unabhängig von Genderklischees. Vor der Bühne bangt eine Frauenclique. Hinter ihnen wiegt sich ein älterer Mann leicht schwankend im tanz, trunken von Musik, Bier oder Hitze.
Sacha kündigt einen Song von der letzten CD an. Die Lotrify-Fans jubeln. Dieser Track ist hymnenhafter als das zuvor gespielte, die Stimme klettert in die Höhe, sie ist clean und tragend. Als die Band zurück in ihr Gewummer fällt, bildet sich im Moshpit eine Wall of Death, oder eher: Ein Mäuerchen, denn der Moshpit zählt zum jetzigen Zeitpunkt genau vier Teilnehmehmende. Die Band hat sichtlich spass auf der Bühne, Bassist Silvan legt bei einer Pause eine kleine, ironische Tanzeinlage hin, mit lustig wedelnden Händen und augenzwinkerndem Hüftwackler.
Dann neigt sich auch dieses Konzert dem Ende zu. Der tanzfreudige Bassist verabschiedet sich mit «Danke vill mal, mached’s guet», dann sind Lotrify auch schon von der Bühne verschwunden.
Radwaste
Die dritte Band spricht eher stoische Headbanger an. Radwaste machen harten Thrash, der Gesang ist rau, aber clean genug, um Melodien zu tragen. Begleitet wird er von hartem Geprügel, kraftvollen Wummern und dumpf-dunklen Instrumental-Spuren. Das Publikum, wenngleich begeistert, bewegt sich primär vom Oberkörper aufwärts. Man johlt und hebt die Hände, bangt und rammt die Faust rhythmisch in die Luft, aber hüpfen, tanzen oder pogen mag in dieser Sauna kaum einer.
Radwaste liefern derweil eine harte, fröhliche Show und versprühen gute Laune, was nicht zuletzt am Privatleben der Musiker liegt: Der Gitarrist und der Bassist sind beide frisch gebackene Väter, und fangen stolz an zu grinsen, als der Sänger dem Publikum vom Nachwuchs erzählt.
Auch dieses Konzert endet zu früh. Nach dem letzten Song wünscht uns der Sänger viel Spass mit Burning Witches. «Was füren geile Abig!», ruft er zum Abschied.
Diese Meinung teilt das Publikum unisono. «Super Abend», sagt ein Mann, der seinen Namen nicht hier lesen will. Seine Begleiterin ist vor allem vom Gesang beindruckt:
«Geil gesungen, der hat eine hammer Stimme.»
Das Publikum zerstreut sich zufrieden Richtung Bar, Fumoir oder ganz nach draussen, wo es inzwischen etwas kühler ist.
Burning Witches
Der Saal liegt in vager Dunkelheit, während wir gespannt warten. Schemenhaft wahrnehmbar postiert sich die Band auf der Bühne. Mit dem ersten von Lalas Schlägen flutet rotes Licht den Saal, und die Hexen legen mit Metal Demons los. Harte, melodiöse Riffs, eingängige Melodien und Serainas eisenharte Stimme tragen den Song vorwärts bis zum ersten Solo. Die Gitarristinnen Alea und Romana spielen einander an, und die Sängerin verschwindet kurz von der Bühne, um ihr Lackcape abzulegen. Wie immer haben sich die Bandmitglieder mit Bedacht eingekleidet, und in dem heissen Saal zeigen sich Lack und Leder von ihrer wortwörtlich heissesten Seite.
Das Publikum, wenn auch begeistert, ist immer noch letharigsch vor Hitze. Bei Creators of Hell, wo die Band traditionell zum Schunkeln animiert, schwanken gerademal die vordersten fünf Reihen mit.
«Gaz eu guet?», schreit Seraina.
Der Saal johlt eine freudige Antwort.
«Händer Luscht zum Mitsinge?» Natürlich haben wir Lust. «Chönd au schrejä», erklärt die Sängerin und machts’ vor: «The Dark Companion! The Dark Companion…»
Der Song beginnt mit einem langsamen Intro. Serainas Stimme trägt balladesk die Worte vor, begleitet von einzeln perlenden Gitarrenklängen. Romana steht vorne am Bühnenrand, und ihre Locken flattern episch im Ventilatorwind.
Dann setzen Jay am Bass, Alea an der zweiten Gitarre und Lala am Schlagzeug mit der gewohnten Härte ein. Auf Serainas Zeichen setzt der Chor ein. Alle grunzen The Dark Companion, während sie darüber kreischt. Was anfangs gut klingt, verkommt schnell zum überforderten Gebrabbel. Die Band lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Am Schluss des Songs geht Seraina neben Alea in die Hocke, die ebenfalls auf den Knien spielt. Die konzentriert kauernden Frauen geben ein stimmiges Bild ab, und verharren in dieser Position – bis der nächste Song losdonnert.
Dann, auf dem Höhepunkt des Konzerts, taufen die Hexen ihre Platte.
Das Bühnenlicht wird violett, und alle fünf versammeln sich im Halbkreis. Aus den Boxen dringt die Geräuschkulisse eines Zirkels: nokturne Naturlaute, vage Klänge, heulender Wind und das Lachen einer Hexe. Die akkustische Kulisse steigert sich, die Band hält die CD hoch. Und das Publikum zollt schreiend Beifall.
Jay und Lala greifen nach Champagnerflaschen, wobei gerade Lala ihren noch einmal kräftig schüttelt. Dann drohen fest sitzende Korken kurz die Show zu ruinieren, aber Seraina bricht den Fluch, der Korken knallt, der Champagner spritzt in die Menge.
Weiter geht es schnell und hart. Die Faulheit von vorhin ist endlich verflogen, es bildet sich ein Moshpit von ansehnlicher Grösse. Seraina hält sich kaum noch mit Ansagen auf. Meistens brettert den nächste Song schon los, während der Saal noch den vorherigen bejubelt. Eine Ausnahme ist der fast letzte Song: «Möged er na eine?» fragt Seraina. «Mir händ na eine, woner all känned!» Die fünf lassen es mit Burning Witches noch einmal richtig krachen, dann gehen sie von der Bühne.
Selbstverständlich wollen wir eine Zugabe. Selbstverständlich bringen sie eine. Bei Burn the Witch kocht der Saal. Pommesgabeln schlagen zur Bühne, der Publikumschor skandiert, Scheinwerfer blenden durch halb geschlossene Lider und Haare fliegen.
Das ist Metal.
Bilder: Miwa Erni
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