Am vergangenen Samstag hat Wardruna das Komplex 457 regelrecht in einen spirituellen Klangort verwandelt. Das ausverkaufte Konzert war der perfekte Auftakt zur Reise ins neue Jahr.
Die Norweger Einar «Kvitrafn» Selvik, Gaahl und Lindy Fay Hella machen keinen Hehl daraus, dass sie das Projekt Wardruna der nordischen Glaubenskultur widmen. So bilden sowohl das Runenalphabet Futhar und heidnische Vorstellungen das Fundament für ihre musikalischen Experimente. Und eben diese tonalen Akustik-Kompositionen haben sie zum ersten Mal in Vollformation ihren Schweizer Fans dargeboten.

Klangsog
«Make it grow again!»
Es ist etwas anderes, Einar in Begleitung seiner Mitstreiter zu erleben, als zusammen mit Faun, mit denen er letztes Jahr zum ersten Mal die Schweiz beschallt hatte. Gleich vom ersten Ton an zog Wardruna seine Fans in einen sonoren Bann, dem man sich nur zu gern hingab. Sowohl die eher bescheidene und doch eindrückliche Bühnengestaltung, als auch die sorgfältig zusammengestellte Lichtshow vollendeten das mit akustischen Instrumenten inszenierte Schattenspiel, wodurch man als Zuhörer – ob sitzend oder stehend – immer weiter und weiter von einer modernen Hörumwelt weggetrieben wurde und viel eher eine Lagerfeuerstimmung aufkam.
Stammestanz
«Jeder bei sich und gemeinsam ein Stamm.»
Dass der Frontmann Kvitrafn jegliche Zwischenkommentare ausliess, wirkte keineswegs störend, sondern unterstützte viel mehr Wardrunas offenkundige Absicht, dem nordischen Kulturgut – hier melodisch erfasst – andachtsvoll und persönlich zu begegnen: Jeder war einerseits bei sich und doch mit den anderen verbunden. Man verschmolz mit Musikern und Mithörern für zwei Stunden lang geradezu zu einem eigenen kleinen Volksstamm. Dies nicht zuletzt wegen der wikingisch anmutend geschminkten Konzertbesuchern.
Hüter der Geheimnisse
«It’s not about to glorify the past – it’s about to remember and appreciate it.»
Wardruna – was laut Interview mit Sänger Kvitrafn soviel heisst wie «Hüter der Geheimnisse» – setzt auf gehaltvolle, atmosphärische Musik. So wirkte jeder Song durch die altnordischen, teilweise choralen Vocals und die akustischen Instrumente wie Trommel, Horn, Maultrommel und Geige wie ein eigenes Ritual. Und, so eine Besucherin, wenn man die Augen schloss, konnte man leicht meinen, man stünde in Norwegen auf einem Fjord und liesse salzigen Meerwind ins Gesicht wehen.
Der Kern
Das Publikum war durchmischt und doch traf man als «schwarzer» Szenengänger auf viele bekannte Gesichter. Es trafen sich Gothics, Metaller und Mittelalterszene-Freunde. Diese Vertrautheit untereinander trug offensichtlich dazu bei, dass Wardruna sich, am Ende mehrmals von Einar beteuert, sehr wohl fühlte.
«This song ist about crossing over and letting go.»
Und so schloss Wardruna das Konzert mit einem letzten mystisch kultischen Lied, das sie selbst als «Wardrunas Kern» bezeichneten und der jenen gewidmet sein soll, die hinter uns liegen.