Alle Jahre wieder… rockt das Greenfield Festival Interlakens Flugplatzareal als gäb’s kein Morgen. Auch 2018 pflügten verhoffte und unverhoffte Highlights das Feld. Wir waren sowohl vor als auch hinter den Kulissen haut(stich)nah mit dabei.

Tag 1: Von Sturmgebläse bis Lichtgewitter
Auch in diesem Jahr setzte das Greenfield Festival 2018 – trotz deutscher Herkunft – voll und ganz auf Swissness und überliess einer Hommage à Suisse den Eröffnungsgig. Auch wenn Metal weit entfernt von Schunkelschunkel-Musik ist, so honorierten die Besucher das urchige Dumpfgedröhne der traditionell gekleideten Alphornbläser mit Präsenz und anerkennendem Applaus.
«We don’t want to be seperated from the audience.»
Die Fans hiessen mit tosendem Jubel also nicht nur alle 41 Bands der kommenden drei Tage willkommen, sondern auch sich selbst. Dem grossen «Miteinander» – wie es Shinedown-Leadsänger Brent Smith im Interview mit Negative White proklamiert hat – stand nichts mehr im Weg. Sogar das Wetter spielte mit!

Die aufgeheizte Stimmung blieb nicht nur wegen des Wetters bis tief in die Nacht hinein heiss. Sowohl die präsente und freakige Band The Hives überraschte mit ihrem extravaganten Auftritt – samt The Hives-Ninja – das Publikum, als auch haben die versierten Stage-Löwen von The Prodigy ein irrwitziges, mit raffiniertem Lichtgewitter hinterlegtes Soundbeben durch Berner Boden gejagt.
Beside the Stage
Aber nicht nur auf der Bühne konnten wir erste Highlights verbuchen. So haben wir auf dem Weg über den Platz einen richtigen Festival-Gourmet getroffen. Es spricht ja nur für sich, wenn es den letztjährigen Festivalpass-Gewinner M(B)artin Röllin auch diese Jahr wieder nach Interlaken gezogen hat.
Vorbei am bärtigen Besucher und der zur Ice Bar umfunktionierten Kühlkammer gönnten wir uns eine Auszeit im Grünefelder Mittelalterdorf. Da schien – ganz nach Berner Manier – die Zeit etwas langsamer zu ticken. Genug Zeit und Luft, dem trotz regulärem «Arbeiter-Dunnschtig» mit zahlreichen Rocker-Blüten und strammen Metal-Halmen bestellten Greenfield-Gelände kurz zu entkommen.

«Am Greenfield fühle ich mich in meine Jugend zurückversetzt.»
Dass dieses Jahr wieder auf zwei Stages gekürzt worden war, trug sicherlich ebenfalls dazu bei, dass die kostenlosen Freiluftduschen und Trinkwasserbecken konzentrierter aufgesucht wurden und Warteschlangen produzierten. Dennoch wirkten die Besucher zufrieden in ihrem Flashback in ihre Teenager-Zeit, wie uns eine routinierte Festivalgängerin erläuterte: «Bei altbekannten Bands wie Less Than Jake, Limp Bizkit und Dog Eat Dog fühle ich mich in meine Jugend zurückversetzt. Das macht Spass und deshalb ist mein persönliches Highlight auch The Prodigy.»
Behind the Stage
Hat man einen Member-Pass ergattert, so war man nicht mehr nur den Medien ganz nah, sondern es trennte auch nur noch eine Wand zwischen – exklusivem! – VIP- und noch exklusiverem Backstage-Bereich. Da konnte es durchaus passieren, dass man den René Schudel zwischen Rauchlachs-Menu und Prodigy-Headgebange hin- und hertingeln sah.

Ganz nach Brents Message, die er uns im Interview für seine Fans hinterliess, haben sich die Veranstalter des Festivals auch im Backstage-Bereich keine Grenzen gesetzt. Zwischen den separaten Mini-Bandkabinen, der Fotoecke und dem Interview-Kabäuschen konnten wir doch tatsächlich in ein Tattoo- und ein Massage-Separée spähen.
Das sorgte offenbar auch für Laune unter den Bands, denn Mantar-Drummer Erinç kehre, wie er uns im Interview beteuerte, immer wieder gerne das «schönste Festival, das es gibt» zurück, um die Bühne mit seinem einzigen Band-Kollegen Hanno zu rocken. Was er uns sonst noch so zu ihrem neuen Album verraten hat, werden wir euch Ende August in der Release-Woche zu lesen geben.
Tag 2: Wetter wechselhaft – Besucher standhaft
«Das bisschen Regen – das kriegt uns doch nicht klein!»— Sammy Amara
Der wetterunbeständige zweite Tag des Greenfield Festivals 2018 stand ganz unter Schweizer und deutschem Stern – bestritten doch vorwiegend Bands aus der Schweiz und aus Deutschland den Tag. Und dank ihnen konnte das Wetter den Fans auch kein Schnippchen schlagen, was der Poncho-Tanzreigen um 20 Uhr unter Beweis stellte, während die Düsseldorfer Punkband Broilers mit Frontmann Sammy Amara auf der Jungfrau Stage unter anderem den Klassiker Ghostbusters trompetete.
Es war einmal…
Als das Wetter noch viel versprach, haben wir den religiösen Teil des Greenfield Festivals erkundet. Während die selbsternannte Metal-Kirche AnsprechBar ihre Festivalfürsorge anerbot, konnte man sich hinter der Metbar der Bonesclinic in einer Holzkapelle von Metalmönch und Metalnonne – zumindest für die Ehe – und Absolutionsdauer der verbleibenden Festival-Tage – vermählen oder die Beichte abnehmen lassen. Sogar eine Hippie-Hochzeit wurde gewünscht – und durchgezogen!

Weniger beglückt wurden leider die Anhänger der Berliner Psychodelic-Rock-Band Kadavar. Aufgrund eine gecancelten Fluges haben sie ihren Auftritt – und das Interview mit uns – verpasst. Doch die Greenfield-Veranstalter zogen da und dort an ihrem langjährig gespannten Network, sodass die Aargauer Newcomer-Band Selbstbedienung, schon fast wieder daheim von ihrem von der Greenfield Foundation offerierten «Bandsupport Day», die Vertreter-Chance erhielt; und diese auch voll und ganz auskostete.
Attention – Attraction – Affection
«Die Schweizer wissen, wie’s geht! Hopp Schwiiz!»— Dero Goi
Less Than Jake – Arch Enemy – Broilers – Oomph!. kein Bein blieb unbewegt, kein Mund stumm, keine Hand ungehornt. Von Less Than Jakes WC-Rollen-Papierschleuderwaffen über blauhaariger Arch-Enemy-Kriegerin Alissa White-Gluz bis zum «Easy Like Sunday Morning»-säuselnden Oomph!-Sturmspitze Dero Goi wurde uns jede erdenkliche Überraschung geboten. Was die Greenfield-Gänger in höchstem Masse springend, kreischend, jubelnd und tosend dankte. Da konnte das offenkundig nicht Alternative-feste Wetter einpacken.
Den Abschluss des in jeder Hinsicht abwechslungsreichen Tag Zwei machte Limp Bizkit – etwas gar gewöhnungsbedürftig. Eher lieblos plänkelte Fred Durst Covers anderer grosser Bands wie Nirvana und Pantera ins Mik. «Wtf?!», dachten sich wohl viele der durchnässten, sich dicht an dicht drängenden Openair-Gäste auf Klassiker oder zumindest Eigenware wartend. Als dann aber doch noch vertraute Schrummschrumm-Töne aus den Boxen dröhnten, war die Meute nicht mehr zu halten. Und spätestens als ein Rollstuhlfahrer zur besseren Sicht auf die Bühne gehievt wurde, war Limp Bizkit die Sympathie ihrer alten und neuen Fans sicher.
Tag 3: die eigentlichen Festival-Helden
Der finale Tag war gekommen. Regen und Party überstanden rafften sich die Besucher ein letztes Mal auf, ihre willkommende Pflicht zu tun und das von Alk-Leichen geschmückte Abfallminenfeld erneut zu besiedeln und die Perfomances der noch kommenden Bands anzufeuern.
Dog Eat Dog-Sänger packte, selbstredend nach US-Manier, eine Gun aus. Eine Water-Gun.
Das gestaltete sich allerdings gar nicht so einfach, wie erhofft. Denn Scream Your Name, die den Greenfield-Samstag eröffnen sollten, wurde gezwungen, das erste unfreiwillige Unplugged-Metalcore-Konzert zum Besten geben. Technikversagen. Dies erzeugte zwar umso grössere Solidarität bei den Gästen, sorgte aber auch für etwas Unmut auf der Bühne, der merklich aber durchaus souverän überspielt werden musste.
Glücklicherweise handelte es sich dabei lediglich um Startschwierigkeiten, die einer Hauptprobe für ein Theaterstück gleich kamen, denn ab nun steigerte sich das Programm kontinuierlich.

Nachdem Dog Eat Dog die Meute nicht nur neuen Klängen erfrischten, heizten Korpiklaani mit finnischen Humpaa-Kombis ein und Eisbrecher Lead-Sänger Alexx gab seine Jodelkünste zum Besten – und liess sich nach dem Konzert sogar auf ein Backstage-Handgeschüttel und Rumgeblödel mit Negative White ein.
Als Zeal & Ardor dann auf der kleinen Eiger Stage mächtlich losbassten und ihre hypnotisierenden Klänge in die Menge wummten, war klar, dass vor allem die «Sidestories» des Festivals die eigentlichen Helden des Greenfield 2018 waren. Da konnte auch Volbeat-Head Michael Poulsens Hommage an Johnny Cash den kleinen und grossen Fest-Heroen den Ruhm nicht mehr streitig machen.
Beside the Scenes
Wie an den meisten Festivals üblich spielte die Musik auch am Greenfield nicht nur auf den Stages. So konnte man bei Bedarf den ganzen Tag auf dem Zeltplatz verbringen ohne gelangweilt zu werden. Dafür sorgten ein Mini-Skaterpark, Autoscooter, eine Schiessbude und sogar eine kleine Chilbi-Bahn. Selbst eine hofeigene Zeltplatzband gab ihren durchaus tanzbaren Sound zum besten: ab Schlagzeug auf einem VW-Bus und eigens mitgebrachten Verstärkern.
Und am Abend hielten diverse Feuershows die Füsse warm. So präsentierten einerseits die Fireknights ihre beeindruckenden Pyrotänze allabendlich im Mittelalterdorf und andererseits besiegelte am Samstagabend dann feierlich die – mittlerweile traditionelle – Burning Hand den krönenden Abschluss eines gelungenen Greenfield Festivals. Heisser hätte es kaum zu und hergehen können.

Fazit
Nicht nur für Korpiklaani war das Greenfield ein gelungener Auftakt in die Festival-Saison 2018, wie drei von ihnen uns in einem Interview eröffneten. Was Jonne, Sami und Tuomas sonst noch so vor allem zu ihrem neuen Album Kulkija zu berichten hatten, könnt ihr in der Album-Release-Woche anfangs September bei Negative White nachlesen. Bis dahin lassen sie uns ausrichten: «The fun gets bigger with the fans!»
«Greenfield was our first festival of the season. It was a nice opening!»—Jonne Järvelä
Mit 72’000 Besuchern war das diesjährige Greenfield trotz der Reduktion auf zwei Stages das bisher bestbesuchte. Wie uns von den Geschäftsführern der Greenfield Festival AG erklärt wurde, hat sich die dritte Bühne, die als Gothic-Bühne gedacht war, laut Umfragen nicht wirklich ausbezahlt.
Aber immer weiter auf der Suche nach Attraktionen für ihre «Fest-Familie» haben uns Iris Huggler, Thomas Dürr und Stephan Thanscheidt versichert, dass sie schon wieder an Neuerungen – wie z.B. die Aufstockung des Member Village durch behausbare Holzhüttchen – herumtüfteln und sich der Erwerb einer (limitierten) Wildcard, die es für 160 Franken im Vorverkauf geben soll, durchaus lohnen werde.

Die gestiegene Besucherzahl hatte jedoch auch etwas ungemütliche Auswirkungen. So musste man angeblich eine geschlagene Stunde an den ToiTois anstehen und das Campingareal glich nicht zuletzt aufgrund zu weniger Mülleimer einem Wasteland-Szenario. Da kamen die hohen Depot-Preise für Plastikteller und -becher auch nicht dagegen an.
Dafür blieb es sonst extrem friedlich. So konnte der eine oder anderen Security zu den Konzerten mitwippen und die Sanitäre machten es sich gelegentlich auf dem Notfall-Wagen bequem, um bessere Sicht auf die Stages zu erhalten. Alles in allem hat das Greenfield Festival ganz offensichtlich nicht umsonst einen guten Ruf bei internationalen Musikern und wird trotz sich immer und immer wiederholenden Headlinern insbesondere durch die zahlreichen Nebengeschichten zum Freilicht-Unikum.