Das Rock The Ring zog gleich am ersten Abend – und dies wohlgemerkt mitten in der Woche – 10’000 Besucher aufs Gelände. Das grosse Zugpferd war die Band Böhse Onkelz. Was die sehr oft kontrovers diskutierte Band derart erfolgreich macht, wollte ich vor Ort in Hinwil herausfinden.
Wer geht denn bitte an ein Böhse Onkelz-Konzert – und das noch mitten in der Woche? Ist diese Band wirklich so erfolgreich, dass sie den Zusatzabend gewinnbringend herausholen kann. Und wenn ja, warum?
Ich wollte als Nicht-Onkelz-Fan herausfinden, wer dort hingeht und was der Beweggrund ist. Zu diesem Zweck und mit dem Zückerchen meine Lieblingsband In Extremo zu sehen, machte ich mich am Mittwoch auf die Pirsch.
Was sagt man im Star-Wars-Universums zu den Onkelz?
Als erstes landete ich in der wohl berühmtesten Weltraum-Saga: Der erste sehr hitzige Nachmittag des Rock The Rings wurde mit der Star-Wars-Band Galactic Empire gestartet. Bei Temperaturen um die 28 Grad machte es sicher extrem viel Freude, in einem dieser Kostüme zu stecken und zu spüren wie ein Schweisstropfen nach dem anderen den Füdlispalt runterlief.
Oder hatten die etwa eine eingebaute Klimaanlage? Denn erstaunlicherweise hatte der Stormtrooper sogar noch Power, ein wenig herum zu hüpfen. Cool fürs Auge war es allemal. Auch für die Ohren war es für eine kurze Weile sehr witzig, all die Star Wars-Themes in Metal-Version zu hören. Nachdem sie den Cantina-Band-Song eingespielt haben, war für mich der Ohrenwurm auch bereits gesetzt – na vielen Dank.

Nachdem zuerst nur unzählige Fotografen vor der Bühne herumlungerten, gesellten sich zum Glück auch immer mehr Besucher dazu. Am Ende der Show schnappte ich mir zwei und fragte sie, ob sie wegen den Onkelz hier seien. «Nein, eigentlich wegen In Extremo», antwortete der eine.
«Musikalisch ist das ja echt nicht der Welthit! Aber man sieht sich einfach selber in den Texten der Lieder.»
Der Zweite schwärmte jedoch sogleich: «Ich bin seit elf Jahren Onkelz-Fan. Sie haben mir aus meiner Krise geholfen. Es war quasi meine Therapie. Ich musste zu diversen Psychologen, aber erst mit den Onkelz kam ich zu einer Lösung. Sie vermitteln einfach, dass es besser werden kann.» Sein Kollege bestätigt ihn: «Die Lieder der Onkelz gehen einfach unter die Haut. Seien wir mal ehrlich, musikalisch ist das ja echt nicht der Welthit! Aber man sieht sich einfach selber in den Texten der Lieder. Es ist ja auch darum totaler Mainstream mittlerweile.»
Starke Worte! Aber wie sehen sie es denn mit der Diskussion, dass die Band aus der rechtsradikalen Ecke kommt? «Sobald man etwas über das Heimatland schreibt und man sagt: Wem’s nicht passt, der soll gehen, wird man als rechtsradikal abgestempelt. Ich find das übertrieben. Und sowieso, hier geht es ja hauptsächlich ums Feiern,» wird mir erklärt – und das nehme ich denen auch zu 100 Prozent ab.

Meine Reise führte nach dieser Diskussion zum Auftritt von Nothing More, wo mich zusammen mit dem sehr starken Bass eine energiegeladene Show erwartete. Die Jungs gaben Gas und beindruckten mit ihrem kreativen steampunkmässigen Konstrukt, auf welchem sie eine der Gitarre platzierten und diese damit in alle Richtungen drehten.
Onkelz Fans sind aggressiv, rechtsradikal – oder einfach normal?
Zurück bei meiner Recherche fiel mir auf, dass zwei kleine Mädchen – maximal zwölf Jahre jung – vor mir mit Onkelz-Shirts und Baseballmützen herumtanzten. Und wo ist jetzt mein Bild vom klassischen Onkelz-Fan mit hohem Aggressionspotential, Armyprint, Baggypants, Glatze und mindestens einem Pitbull an der Leine?
Auch später, um dies vorzugreifen, fiel es auf, wie bunt die Fans sind: Die Fans waren in jedem Alter, Frauen, Männer, Kinder und ziemlich 0815-mässig angezogen. Tendenziell hörte man jedoch sehr viel Hochdeutsch an diesem Abend. Es gab einige Besucher die extra aus Deutschland angereist sind.
Was meint Stoneman zu den Onkelz?
Nach Nothing More ging es weiter auf der kleinen Bühne bei Stoneman. Die Band spielte und schwitze solide in ihrem schwarzen Outfit. Die einzige Farbe war das Gelb der Bierdose, welche am Mikroständer befestigt wurde. Und auch Stoneman kommentierte noch zu den Onkelz: «Es ist für uns eine Ehre vor den Onkelz zu spielen. Vor 20 Jahre haben wir wegen ihnen angefangen Musik zu spielen.»

Also auch hier klare Sympathisanten. Um als Kontrast noch eine weibliche Stimme zu hören, fragte ich noch eine weitere Besucherin mit Band-Shirt, was sie denn an den Onkelz toll fände: «Sie sprechen mir einfach aus dem Herzen. Die Texte, gehören einfach zu mir. Und es ist wie eine grosse Familie. Die Stimmung ist einfach immer genial.»

Nachdem mein ursprüngliches Bild der Onkelz immer mehr umgezeichnet wurde, begab ich mich zum mir sehr gut bekannten Bühnenbild von In Extremo. Die sieben Spielmänner traten auch schon schwungvoller auf, was bei dieser Hitze aber wohl verzeihbar war. Sie hatten die volle Ladung Sonne auf der Bühne, dafür aber keinerlei Pyros. So sprang der Funken bei mir wortwörtlich zum ersten Mal nicht ganz so heftig rüber und mir fehlte die Power fürs sonstige ausgelassene Herumhüpfe.
Leider war zudem der Bass auch sehr dominant; zumindest in der ersten Reihe. Und doch war die Gesamtstimmung sehr gut. Für In Extremo war es nach sechs Monaten Tourpause das erste Konzert und mit einer knappen Stunde Spielzeit ein sehr kurzes Warm-up.
Der Live-Eindruck zählt mehr als Worte der Vergangenheit
Während der Umbauzeit tauschte ich mich mit einigen Medien-Kollegen aus. Niemand war Onkelz-Fan, aber die eismten fanden es eine gute Gelegenheit, die Band mal zu sehen. Viele wussten auch nicht wirklich, was nun an der ganzen kontroversen Diskussion dran war. Eigentlich spannend, das niemand das Ganze hinterfragte oder interessierte. Aber auch ich ging mit der Einstellung, statt im vorherein grossartig zu recherchieren, schaue ich mir das live an.
Und dann legten sie nach einer Stunde los. Der erste Song Hier sind die Onkelz versetzte die Masse sogleich in beste Stimmung. Erst jetzt viel mir auf, wie viele Besucher tatsächlich vor Ort waren. Die meisten drängten nach vorne, während ich aus sicherer Distanz dem Spektakel zusah. Ich muss sagen, rein instrumentell hätte mich die Band gepackt. Was mich aber schon immer ab Platte störte, war die Stimme. Und für mich kann ich sagen, war sie auch live einfach grauenhaft. Für die Fans war es allerdings genug motivierend lauthals mitzusingen. Oder wollen sie ihn einfach übertönen?

Fiese Worte für eine eigentlich an diesem Abend sehr sympathische Band. Mit herzlichen und persönlichen Ansagen kamen die Onkelz sehr authentisch rüber. So sprachen sie zum Beispiel Kevins vergangene Heroin-Zeit an und ermahnten die Fans, keine Drogen zu konsumieren. Aber auch witzig war es. Als sie sich verspielten, meinten sie über sich selber lachend: «Die nächste Tour nennen wir am besten Demento! Nehmt ihr auch schon Ginkgo?»
Auch wenn sie immer wieder kurze Pausen zwischen den Songs einlegten, hielt die Stimmung bis zum Schluss an. Und der Schluss war weit entfernt vom Anfang! Fast zweieinhalb Stunden spielten sie und überzogen ihre eigentliche Spielzeit um fast eine halbe Stunde. Auch wenn sie das für mich nicht hätten machen müssen, den Fans mochte ich es gönnen.
Ein Ruf, der ihnen immer anhängen wird
Eine Band vom Hören-Sagen zu verurteilen, scheint mir nicht der richtige Weg. Mag sein, dass sie zu ihren Anfangszeiten ein sehr verwerfliches Gedankengut verbreitet haben und das mit ihrem Namen bis zu ihrem Ende mitschwingen wird. Vielleicht sind aber genau dieser Ruf und die Diskussion darum gar nicht schlecht. Wer sich interessiert, der befasst sich damit und macht sich Gedanken dazu.
Wenn man mit den Fans spricht und sie anschaut, merkt man schnell, dass die Mehrheit ganz normale Weltenbürger mit normalen Verstand sind. Und bei welcher Band hat es in der Fangruppe wohl kein schwarzes Schaf?
Wenn man sich – und das habe ich nun nach dem Konzert gemacht – auch in diverse Reportagen und Interviews einliest, findet man schnell heraus, dass die Onkelz sich sogar sehr aktiv distanziert haben von ihren früheren Aussagen und Einstellungen und sich aktiv gegen Nationalsozialismus aussprechen. Ja, sogar an diversen Konzerten Spenden für Opfer von Neonazis unterstützen. Vielleicht ist der Gesinnungswechsel mit ein Grund, dass sie so erfolgreich sind. Die Fans brennen auf jeden Fall vor allem wegen den Texten und der Gemeinschaft für Böhse Onkelz.
Auch wenn ich mit der Stimme nach wie vor Mühe habe, bin ich froh, dass ich eine Einblick haben durfte und meine Fragezeichen sich ziemlich geklärt haben.