Wie man eine Non-Profit-Organisation gründet. Und am Leben hält.

Anfangs 2016 fand das erste «Flickfabrik Repair Café» statt. Hinter dem Event stehen nicht nur einen Haufen Arbeit und Ideologie, sondern auch bürokratische Herausforderungen.

Wir leben in einer Wegwerf-Gesellschaft. Neukäufe sind häufig billiger, als das Gerät zur Reparatur zu bringen – und das Wissen darum, wie man selbst etwas flickt, geht mehr und mehr verloren. Zudem werden viele Gegenstände so produziert, dass sie nicht für die Ewigkeit halten. Typischerweise geht das Objekt kaputt, kurz nachdem die Garantie abgelaufen ist.

Das alles ist bedauerlich. Wir verlieren Wissen, dass uns über Jahrtausende weiter gebracht hat, wir verschleudern Ressourcen und wir schätzen die Produkte nicht mehr.

Während dieses Phänomen weltweit beklagt, aber auch einfach hingenommen wurde, hat eine Holländerin ein Idee aufgegleist, die gleichzeitig simpel und revolutionär ist: Ein Repair Café. Leute, die was zu flicken haben treffen sich mit Leuten, die Flicken können. Und wie der Name schon sagt: Es gibt Kaffee. In einer idealen Welt könnte so ein Repair Café von den Kaffeverkäufen und allfälligen Spenden leben.

Die Realität sieht anders aus.

Eine Elektrofachperson repariert einen CD-Player
Eine Elektrofachperson repariert einen CD-Player. Bild: Evelyne Oberholzer

Der Realitätscheck

Die Flickfabrik wurde erst überhaupt möglich, weil die Initianten den ersten Platz in einem Nachhaltigkeits-Wettbewerb gewannen. Die 5000 Franken Preisgeld ermöglichten die Miete der Räumlichkeiten, die man für ein Repair Café braucht. Dazu zählen nicht nur der Café-Bereich, sondern vor allem Werkstätten.

Es bleiben Spenden und Kaffee-Einnahmen, aber die sind stark von der Besucherzahl abhängig. Die wiederum wird beeinflusst von alternativen Events, dem Wetter und der medialen Präsenz im Vorfeld. Als die Flickfabrik noch eine brandneue Idee war, war es einfacher, einen Bericht in eine Zeitung zu kriegen. Doch das Neue von heute ist das Langweilige von morgen – und ohne eine finanzielle Gegenleistung ist ein Bericht über ein Repair Café für viele Zeitungen nicht attraktiv.

Doch Leute, die Repair Cafés gründen und betreiben, sind Idealisten. Und solche lassen sich selten von der Realität aufhalten.

Fast nicht sichtbar: geflickter Riss in der Jeans.
Fast nicht sichtbar: geflickter Riss in der Jeans. Bild: Evelyne Oberholzer

Alternative Wege

Die neue Nachhaltigkeitsszene versteht sich als Graswurzel-Bewegung. Als solche ist man nicht nur am blossen (finanziellen) Überleben des eigenen Projekts interessiert, sondern will in erster Linie einen Gedanken weiter geben. Wurzeln schlagen, die sich ausbreiten und mit denen ähnlicher Gewächse verknüpfen.

So ist zusammen gewachsen, was zusammen gehört. Die Repair Cafés der Region sprechen sich gegenseitig ab, damit der Service das ganze Jahr über kontinuierlich angeboten werden kann.

Der Gedanke des Reparierens wurde weiter gesponnen, in naheliegendere Gefielde wie Upcycling oder in relativ neue Terrains. Die Flickfabrik spannt regelmässig mit anderen Projekten zusammen, so zum Beispiel Druckundwerk, wo sich Upcycling-Ideen realisieren lassen. Ebenfalls teil der Zusammenarbeit ist das Fablab, das in der Region vor allem für den 3D-Drucker bekannt ist. Ebenfalls mit zum Hightech-Sortiment gehört ein Lasercutter. Damit lassen sich allfällige Ersatzteile gleich massgetreu anfertigen – oder aber man nutzt die Technologie gleich für ein ganz neues Projekt.

Etablierte Hilfe

Die Idee breitet sich aus. In der Schweiz nimmt sich die Stiftung für Konsumentenschutz der Repair Cafés an und unterstützt die Initianten, die seit zwei Jahren in den grösseren Schweizer Städten Repair Cafés  veranstalten. Die Unterstützung ist vor allem auf rechtlicher Ebene, zum Beispiel über eine Versicherung, die der SKS den Café-Betreibern zur Verfügung stellt. Ebenfalls im Angebot sind tausend Flyer pro Jahr.

Seit 2014 sind über 25 neue Repair Cafés entstanden und laut einer SKS-Statistik konnten in der ersten Jahreshälfte 2016 von 1600 Produkten, die in ein Repair Café gebracht wurden, über 1000 gerettet werden. Tausend Produkte, die nicht in der Mülltonne gelandet sind, vom Radiowecker über ein Barbie-Pferdchen bis hin zur Jeans.

Repair Cafés haben das Potential, sich der Wegwerfgesellschaft entgegen zu stellen. Vielleicht setzten sie nur ein Zeichen. Vielleicht werden sie aber auch ein signifikanter Teil der neuen Nachhaltigkeitsbewegung.

[su_spoiler title=“Disclaimer“ style=“simple“]Evelyne Oberholzer ist eine der im Text erwähnten Idealisten. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der Flickfabrik. Zur Objektivität ist sie bei diesem Thema weder willens noch fähig.[/su_spoiler]

 

Die flickfabrik arbeitet mit lokalen Upcycling-Projekten zusammen
Die flickfabrik arbeitet mit lokalen Upcycling-Projekten zusammen.
Das kleine Mädchen wollte keinen unauffälligen Flick
Das kleine Mädchen wollte keinen unauffälligen Flick
Ein Staubsauger wird repariert
Ein Staubsauger wird repariert