Regrow That!

Das eigene Gemüse gratis aus Abfällen ziehen war noch nie so einfach. Sagt zumindest das Internet. Zeit für einige Experimente!

Winzkartoffel als Saatgut
Winzkartoffel als Saatgut

Der Frühling ist da! Im digitalen Zeitalter grünt und blüht es nicht nur in der freien Wildbahn, sondern auch auf Pinterest. Hobbygärtner präsentieren stolz ihre Werke, laden zum Nachbauen, selber Pflanzen oder einfach nur zum Bewundern ein.

Ein Thema, das sich immer wieder in den Vordergrund drängt, ist das Regrowen. Hier geht es darum, aus (gekauften) Produkten dasselbe Produkt noch einmal neu zu ziehen. Manchmal ist das verblüffend einfach. Manchmal aber auch nicht.

Aber mit dem Frühling vor den Fenstern und all‘ den enthusiastischen Info-Grafiken kann man gar nicht anders, als diese Regrow-Anleitungen einmal aus zu probieren. Von A wie Ananas bis Z wie Zitronen.

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Ananas

Klingt einfach: Den palmenartigen Busch oben an der Pflanze soll man nicht gleich abschneiden, sondern keilförmig aus der Frucht entfernen, so dass noch ein Stück des holzigen Kerns daran hängt. Im Wasser soll der Rest dann schnell keimen und Wurzeln bilden, so dass man die Ananas-Palme schon bald pflanzen kann.

Was so schön einfach klingt, endete in der Realität mit einem faulenden Stück Ananas-Kompost auf der Fensterbank. Der fiese Geruch sorgte dafür, dass ich das Experiment recht bald beendete.

Chili

Chilis ziehen ist sehr einfach: Man nehme eine handelsübliche Chili, wie man sie in der Gemüseabteilung eines Warenhauses findet, schneide sie auf, entferne die Kerne und drücke sie in die Erde. Ein bisschen Wasser, sehr viel Sonne und schon wächst es. Wie die Tomate fühlt sich auch die Chilipflanze in einem Topf wohl und ist so ein dankbares Gewächs für Balkone oder Fensterbänke.

Knoblauch

Laut Theorie kann man die Knoblauchzehe in die Erde stecken und sich schon bald darauf freuen, weil ein neuer Knoblauch wächst. Nun ja, es wächst schon was: Der Knoblauch treibt aus. Ein langer grüner Stängel reckt sich empor, bis er genug hat und zu verdorren beginnt.

Kartoffeln

Kartoffeln sind recht einfach: Man gräbt ein 10 cm tiefes Loch, gibt eine keimende Kartoffel hinein, bedeckt sie wieder mit Erde und giesst sie ab und zu. Das Ergebnis ist eine jetzt nicht unbedingt wahnsinnig hübsche Pflanze und viele neue Kartoffeln. Manche sind wie die grossen gelben Knollen, die’s im Laden gibt, andere winzig wie Erbsen. Schälen kann man sie nicht, sie schmecken aber trotzdem.

Einige dieser Mini-Kartoffeln werden als Saatgut weiter verwendet. Im zweiten Teil der Negative White-Serie über’s Regrowen wird offenbart, ob sich daraus «normale» Kartoffeln ergeben, oder ob der Zwerg der Stammvater einer neuen Mini-Sorte wird.

Zitronen

Zitronen wachsen schnell und einfach. Nachdem man die Zitrusfrucht ausgepresst hat, pult man ein paar Kerne aus dem Fruchtfleisch. Diese steckt man in die Erde, giesst ein paar Mal Wasser darüber und bald beginnt’s zu keimen.

Zitronenbäumchen lassen sich einfach aus Kernen ziehen
Zitronenbäumchen lassen sich einfach aus Kernen ziehen

Fazit: Regrowen ist ein tolles Hobby für alle, die einen grünen Daumen haben und frisches Gemüse schätzen. Dass das Phänomen immer beliebter wird, dürfte aber tiefere Dimensionen haben.

Regrow – Die Bewegung

Regrow gibt ein Gefühl der Kontrolle zurück, das der moderne Konsument verloren hat. Obst und Gemüse stehen unter dem Generalverdacht, mit Pestiziden behandelt und gentechnisch verändert worden zu sein. Wenn ich meine eigenen Tomaten ziehe, weiss ich exakt, was ich als Dünger verwendet habe.

Hinter dem Regrow steht auch der Wille, sich nicht von grossen Konzernen abhängig zu machen. Oder anders herum: Sollte das System dereinst wirklich kollabieren, dann haben Regrower wenigstens halbwegs eine Ahnung davon, wie man sich sein Essen beschaffen kann. Das mag nach Aluhut-Geschwafel idealistischer Aussteiger klingen, beinhaltet aber doch eine gesellschaftliche Realität. Firmen wie Monsanto versuchen, Patente auf Saatgut zu erheben. Gärtnern und Bauern in einem privaten, nicht-patentierten Rahmen ist ein kleiner Akt zivilen Ungehorsams. Ein Widerstand so fein wie ein Pflänzchen, das von unten gegen den Asphalt drückt – und unter den richtigen Bedingungen eine bemerkenswerte Sprengkraft entwickelt.

Dabei geht es nicht nur um einen Kampf gegen die grossen Nahrungsmittelkonzerne. Die meisten Menschen empfinden eine grüne Umgebung als gemütlich. In den Betonwüsten unserer Grossstädte ist das sogenannte Urban Gardening eine lustvolle Methode, mit der sich jeder Bürger selber eine grüne Oase schaffen kann. Und offenbar besteht grosser Bedarf an etwas heimischem Agrarbetrieb:

In New York ist Hühner züchten mittlerweile ein beliebtes Hobby. Für Mieter mit wenig Platz bieten sich Vertical Gardens an: Das Regrow-Prinzip lässt sich hier gleich noch mit Upcycling verbinden, indem man Abfallprodukte wie leere PET-Flaschen zu Pflanzentöpfen umgestaltet.

Derweil wächst das Gemüse still und leise in den Töpfen, denn Regrowen verlangt Geduld. Diese müsst nun auch ihr, liebe Leserinnen und Leser, aufbringen: Der zweite Teil dieser Serie erscheint, wenn die Kartoffeln reif sind.