The Witch – von Hexen und Fanatikern

Eine Geschichte von Hass, Inzest und Verblendung – «The Witch» hätte ein grossartiger Film über die selbstzerstörerischen Tendenzen von religiösem Fanatismus werden können. Leider verliert er sich in, zugegeben, eindrücklichen Schauerbildern von bösen Hexen aus dunklen Wäldern.

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Go West!

Eins vorweg: Die in atemberaubenden Bildern gebannte Geschichte einer Familie aus der Zeit, als – gelinde gesagt – strenggläubige Puritaner den Norden Amerikas besiedelten, sollte man sich nicht unbedingt alleine irgendwo in einer von Wäldern umgegebenen Ferienhütte anschauen, denn man wird im besten Falle einen etwas unruhigen Schlaf haben. Was Regisseur Robert Eggers, der übrigens ein bisschen aussieht wie ein pummeliger, nicht ganz so kampferprobter Khal Drogo, geschaffen hat, würde selbst die Reiterhünen aus der beliebten HBO Serie nicht vollkommen kalt lassen: Düstere Stimmung, geistiger Verfall und eine alles durchdringende Gegenwart des Bösen sind, ähnlich wie schon bei den jetzigen Wahlen in den USA, in seinem Film fast schon mit den Händen greifbar. Vom ersten Moment an, wenn die Familie des Protagonisten, der die Bibel schon mal zu wörtlich auslegt und deshalb die wenig ansehnliche Siedlung, in der er sich mit seinen Liebsten niedergelassen hatte, verlassen muss, weiss man als Zuschauer, dass die Reise in den Westen, das unbesiedelte Hinterland, nicht etwa eine Reise in ein ungestörtes, gottgefälliges Leben, sondern vielmehr in den Abgrund der Hölle sein wird. Diese Vorahnung tut der Geschichte jedoch nicht etwa einen Abbruch, sondern lässt einem ein verzweifeltes «Na wunderbar, du Idiot!» von den Lippen gleiten.

Fanatimus hat eine hässliche Fratze

Und wenn die bedrückte Stimmung, befeuert vom fanatischen Vater, dessen ganzes Leben und Handeln im Dienste Gottes stehen muss, nicht schon genug wäre, stösst schon bald ein echtes, nicht nur Wahnvorstellungen entsprungenes Böses hinzu. Und das wäre, wie schon angedeutet, nicht einmal nötig gewesen. Konsequent hätte sich die Familie aus der Geschichte auch ohne das Zutun von Hexen und Dämonen, die die dunklen Urwälder des Kontinents bevölkern, auf die Dauer selbst ins Verderben stürzen können. Durch ganz reale Probleme, den Hunger etwa, die Paranoia, und den Dachschaden, den das fanatisch bibeltreue Leben fast jedem einzelnen Mitglied der Familie zugefügt hat. Vielleicht waren die schauerlichen Horrorbilder auch nur ein Zugestädnis an die Zuschauer oder an Hollywood, um den Auswüchsen des Fanatismus ein nicht ganz so subtiles und unterschwelliges Gesicht zu verleihen. Tatsache ist nämlich, dass der Horror die Familie umgibt und in jeder einzelnen Faser der rauen Baumwollkleidung steckt, auch ganz ohne Monster.

Normalerweise plappere auch bei Rezensionen fröhlich über den Verlauf des Films, hier unterlasse ich das. Kein Sterbenswort von mir, ob jemand stirbt oder alle überleben. Ich tue das, weil man den Film schauen sollte. Er ist grossartig, trotz der angebrachten Kritik. Er zeigt Bilder, die wie Kunst auf der Leinwand wirken und erzeugt eine bedrückende Stimmung, die man sich wieder mal antun muss. Muss!

The Witch - nichts für schwache Nerven (Bild: zVg)
The Witch – Nichts für schwache Nerven (Bild: zVg)